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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
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eine Bankbürgschaft über 17 Millionen Mark annehmen und sie durfte sich nicht Universität nennen.
    Als der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen eine Einweihungsrede hielt, ließ Schily ein Schild mit der Aufschrift »Universität« hinter dem Minister aufhängen und ihn fotografieren. Anschließend schickte er ihm das Foto und erinnerte ihn daran, dass auch er in seiner Rede von Universität gesprochen hatte. Der Minister wollte gegen diesen Verstoß nicht klagen und so ist Witten/Herdecke seitdem keine »staatlich anerkannte tertiäre Bildungseinrichtung«, sondern eine Universität, die sich auch so nennt. Die Universität finanzierte sich durch Spenden von Unternehmen. Erste Förderer waren Alfred Herrhausen (Deutsche Bank) und Berthold Beitz (Krupp). Mit Herrhausens Ermordung verlor die Uni 1989 ihren wichtigsten Förderer und den Einzigen, der das Konzept richtig verstanden habe, wie Schily im Rückblick sagt.
    Witten liegt bei Dortmund in Nordrhein-Westfalen und so landete Schily auf der Suche nach Geldgebern 1986 auch bei Reinhard Mohn und seiner Bertelsmann Stiftung. Die Stiftung lehnte die Förderung eines Ausbaus zunächst mit dem Argument ab, dies würde ihren Jahresetat von damals sieben Millionen Mark überfordern. Mohn ließ aber die Zukunftschancen der Universität von einem befreundeten Wirtschaftsprüfer analysieren, weil er und die Stiftung – wie der Geschäftsführer der Stiftung sagte – der Uni positiv gegenüberstanden und »sie irgendwie fördern« wollten. Im Geschäftsbericht 1990 behauptete die Stiftung, sie sei in Witten bereits seit der Entwicklungsphase engagiert gewesen. Das sei aber falsch, sagt Schily. Mohn und seine Stiftung hätten sich erst später beteiligt.
    Schily konnte sich seine Geldgeber nicht danach aussuchen, ob man inhaltlich zu 100 Prozent übereinstimmte – sonst wäre Reinhard Mohn vielleicht nie der zeitweise wichtigste Förderer der Universität geworden. Schily kam mit Mohn überhaupt ins Gespräch, weil dieser sich einmal abfällig über den »unordentlichen« Lehrbetrieb in Witten geäußert hatte. Schily besuchte ihn daraufhin in Gütersloh und sie sprachen über eine Kooperation. Mohn wollte nicht nur Geld geben, sondern operativ tätig werden und Einfluss nehmen, erinnert sich Schily. 2 Er wiederum wollte zwar Mohns Geld und sein Engagement, aber es war ihm wichtig, unabhängig zu bleiben und nicht Teil von Mohns Unternehmen zu werden. Er sagte daher in diesem Gespräch: »Herr Mohn, mit Ihnen immer, aber nicht mit Ihrem Konzern.« Er suchte Förderer, die die Freiheit und Unabhängigkeit der Universität respektieren, nicht behindern. Auch wenn sie sich nicht über alles einig waren und aneinander rieben, Reinhard Mohn wurde ein wichtiger Mann für Schily und seine Universität und man arbeitete zehn Jahre gut zusammen. Von 1987 bis 1995 fungierte Mohn als Vorsitzender des Direktoriums der Hochschule. Das Direktorium entsprach einem Aufsichtsrat.
    Obwohl Schily die Universität nicht durch ein Direktorium nach dem Vorbild eines Aufsichtsrat kontrollieren lassen wolle, hatte Mohn darauf gedrängt und sich nicht davon abbringen lassen. Führte er so nicht auch sein Unternehmen mit großem Erfolg? Warum also nicht auch eine private Universität? Im Gespräch mit Mohn stellte Schily immer wieder fest, dass Mohn glaubte, er könne die Strukturen und Erfolgsrezepte seines Unternehmens einfach auf die Gesellschaft übertragen und so etwas wie eine Bertelsmannrepublik Deutschland schaffen.
    Mohn verwendete diesen Begriff gegenüber Schily nicht, aber er kennzeichnte Mohns Weltbild. Mohn sei idealistisch in Anführungszeichen, sagt Schily. Das soll heißen: er präsentierte sich gerne als idealistisch, sei es aber nicht wirklich gewesen. Mohn wollte alles messen; Schily dagegen legte auf Kompetenz, Betroffenheit und Verantwortlichkeit Wert. So sehr sich beide eine private und freie Hochschule wünschten, so unterschiedlich waren ihre Vorstellungen davon, was das eigentlich sei, und vom Weg dorthin. Schily war der Auffassung, dass eine Universität zwar ein Unternehmen sei, aber in einem ganz anderen Sinne, als Mohn es verstehe. Es sei kein Betrieb, dessen Effizienz zu messen sei. »Eine Universität vernichtet Geld, schluckt Geld.« Ihm geht es darum, dass Persönlichkeiten gebildet werden.
    Mohn redete in Witten ähnlich, aber sobald er abgereist war, predigte er das genaue Gegenteil, wie Schily immer wieder zu hören bekam. Schily nahm Mohn deshalb als

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