Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Stiftung. Beide haben in Cambridge und Harvard studiert, traten selbstbewusst auf und arbeiten journalistisch. Und beide waren nicht in einen langjährigen Sozialisierungsprozess der Stiftung eingebunden und blickten so mit einem frischen Blick und relativ unvoreingenommen auf die Agenda-Politik.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung fassten die beiden Autoren in dem Buch Reformen kommunizieren zusammen. Wie bei allen Schriften aus seinem Bereich, setzte Werner Weidenfeld seinen Namen als Herausgeber auf den Titel. Es geht in der Analyse hauptsächlich darum, wie man Reformen kommuniziert. »Die Agenda 2010, das große Reformprojekt, geriet ausgerechnet dem ›Medienkanzler‹ zum Vermittlungsdesaster«, stellte Weidenfeld fest. »Es dominierte der Eindruck einer tagesfixierten Ad-hoc-Politik – ohne dass es gelungen wäre, Problembewusstsein zu schaffen und ein klares, übergeordnetes gesellschaftliches Ziel zu formulieren, aus dem heraus die einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen begründet werden konnten.«
Josef Klein, ehemaliges CDU-Mitglied des Deutschen Bundestages von 1972 bis 1976, lehrt Politolinguistik an der Freien Universität Berlin und Germanistik an der Universität Koblenz-Landau. Er untersuchte für das Buch der Stiftung kritisch die Reform- und Hartz-Sprache und warf Schröder eine Sprache aus der Manager- und Werbewelt vor, die die Bürger nicht verstehen könnten: Job statt Arbeit, Service statt Dienst, »XY-Center« statt »XY-Stelle«. Das alles, so analysierte Klein, soll Überlegenheit, Internationalität und Lockerheit vortäuschen.
Das ist nicht falsch. Nur: Stammen diese Begriffe und vor allem dieser mit englischen Fremdwörtern durchsetzte und auffrisierte Jargon nicht aus den Anleitungen, Tagungen und Broschüren der Bertelsmann Stiftung? Vor allem in den Jahren 2000 bis 2003 hat sie zahllose englische Bezeichnungen in ihre deutschsprachigen Erklärungen übernommen. Da war von » Activity test «, » Centrelink «, » Work for Dole « und » Job Seeker Classification Intrument « die Rede, und oft findet man Begriffe wie » One-Stop-Shopping «, » New Deal für junge Leute «, » Benefit Agencies « oder » Employment Zones für Langzeitarbeitslose« ganz selbstverständlich im fortlaufenden deutschsprachigen Text, ohne dass sie übersetzt werden.
Die Bertelsmann Stiftung lastete der Politik durch ihren Autor Klein 2007 dieselbe Sprache als Fehler und Hindernis für die Reformen an, die sie selbst über Jahre wieder und wieder in ihren Broschüren und Studien unter die Fachleute gebracht hat. So kritisierte Klein, dass der Kanzler in seiner Agenda-Rede im März 2003 nicht einmal erklärt habe, was er eigentlich unter Agenda 2010 – den Begriff hat angeblich seine Frau erfunden – verstehe und um was es gehe. »Agenda zwanzig-zehn – das muss für den klassischen SPD-Wähler, Facharbeiter oder Frührentner um die 60 geklungen haben wie ein unbekannter Artikel mit Bestellnummer aus dem Versandhaus-Katalog. Es hätte sich auch um die Bezeichnung für ein neues elektronisches Gerät handeln können.« Allerdings hätten die Begriffe der Hartz-Sprache von » Personal Service Agentur « bis »Hartz I« bei aller Unkenntnis im Detail doch die Botschaft transportiert, dass sie ein Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei. »Damit trägt die Hartz-Sprache als Ganzes den Charakter eines Versprechens. Die Management-Elemente der Hartz-Sprache suggerieren darüber hinaus, es werde bei ihrer Einlösung besonders zügig und effizient zugehen.« 14 Ein Versprechen, das auch die Bertelsmann Stiftung gerne suggeriert hat.
Anfangs habe die Hartz-Sprache ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit besessen und Vertrauen ausgelöst. Bei der Erarbeitung und Vorstellung der Hartz-Vorschläge seien Bürger hoffnungsfroh gewesen; später sei Hartz dagegen nur noch als Schimpfwort in Gebrauch gewesen. Dabei hätten Schröder und andere betont, dass die Hartz-Instrumente erst eine Anlaufzeit benötigten, ehe sie Wirkung zeigten. Angesichts dieser Warnungen, so Klein, sei ihm allerdings »rätselhaft, wie die Hartz-Kommission zu der Prognose einer Senkung der Arbeitslosigkeit um zwei Millionen innerhalb von drei Jahren kam«. Eine berechtigte Frage von Seiten der Bertelsmann Stiftung. Aber war es nicht Reinhard Mohn selbst, der lange Zeit vor der Reform propagiert hat, dass die Stiftung mit dem Benchmarking und dem Blick ins Ausland das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst habe?
Die Stiftung warf den
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