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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
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erscheinen zu lassen. Deshalb ergänzte er sein Konzept um folgenden Aspekt: »Sofern Studiengebühren erhoben werden, müssen jedoch Stipendien möglich sein beziehungsweise alle Gebühren für die Studenten auf dem Kreditwege zwischenfinanzierbar sein.«
    Diese Grundsätze, die eine traditionell kulturell geprägte Hochschule in ein unternehmerisch geschnittenes Kleid steckten, umschrieb Mohn mit den Stichwörtern Freiheit und Autonomie. Mohn legitimierte dieses »Soll-Modell«, wie er es nannte, mit dem Hinweis, dass es mit in- und ausländischen Hochschulexperten »gründlich diskutiert« worden sei. »Qualifizierte Rating-Methoden im angelsächsischen Raum führten zu bemerkenswerten Übereinstimmungen der Leistungseinschätzung einer Hochschule mit dem von der Bertelsmann Stiftung erwickelten organisatorischen Soll-Modell.« Das Symposium habe ähnliche Ergebnisse erbracht.
    »Die Arbeitsweise guter Hochschulen« gleiche jener erfolgreicher Unternehmen, betonte Mohn. »Die Grundsätze moderner Unternehmenskultur in der Wirtschaft gelten in gleicher Weise auch für die Tätigkeit innerhalb der Hochschulen.« Mohn hatte somit sein Programm veröffentlicht. Jetzt wollte er es umsetzen. Würde ihm das gelingen? Unter seinen ausgesuchten Gästen waren seine Impulse willkommen.
    Dieter Simon, Professor für europäische Rechtsgeschichte am Max-Planck-Institut in Köln und Vorsitzender des Wissenschaftsrates, griff Reinhard Mohns Anregung für Studiengebühren auf. Der Jurist schlug allerdings vor, »nicht die Anbieter, sondern die Nachfrager zu subventionieren«.
    Der Staat solle demnach das Geld den Universitäten nicht direkt überlassen, sondern einen Teil davon den Studenten geben, die dann die Hochschulen für ihre Dienstleistung bezahlen. »Eine sozialverträgliche Lösung könnte darin bestehen, dass jeder Student einen Gutschein erhält«, sagte Simon. Mit dem Gutschein bezahle er die Uni, die diesen dann beim Finanzministerium des Bundeslandes, aus dem der Student stammt, einlösen kann. Zwar gab die Mehrheit der Teilnehmer der Einführung von Studiengebühren durch ein Gutscheinsystem keine Chance, aber es ging in den folgenden Diskussionen immer wieder um die Themen Rankings und Studiengebühren. Damit beschrieb die Diskussion in Gütersloh 1990 bereits zwei Wege, die Mohn vier Jahre später mit seinem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) beschreiten sollte.

Das heimliche Bundesbildungsministerium
    Reinhard Mohns Versuch, durch das Modell und Beispiel der ersten privaten Universität die gesamte Hochschulpolitik zu reformieren, ist ihm nicht gelungen – zumindest nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Aber Mohn ließ sich davon nicht abhalten und gründete gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) das Centrum für Hochschulpolitik – kurz CHE. Mohn schaffte damit einen Thinktank, der Debatten anregt und in Gang hält und der die Hochschulpolitik mit Rezepten aus dem Ausland verändern sollte wie kaum ein anderes Institut. Das CHE habe wesentlichen Anteil an der Einführung der Studiengebühren sowie an den unternehmerischen Strukturen, die in Form von Hochschulräten an sämtlichen Universitäten des Landes Einzug gehalten haben, sagen Befürworter wie Kritiker. Sie bezeichnen das CHE als heimliches Bildungsministerium und ihren ehemaligen Leiter, Detlef Müller-Böling, als den heimlichen Bildungsminister. Das ist natürlich übertrieben, aber wie so oft, steckt in dem Vergleich auch ein Kern Wahrheit. Das CHE und seine Hochschulpolitik gilt – auch innerhalb der Stiftung – als eines der am längsten währenden, kostengünstigsten und erfolgreichsten Projekte der Bertelsmann Stiftung.
    Was ist das Erfolgsgeheimnis? Wie haben Mohn, Müller-Böling und das CHE das geschafft? Müller-Böling sagt dazu im Rückblick: »Man darf Frösche nicht fragen, wenn man ihren Teich trockenlegen will. Hochschulpolitik ist ein vielrädriges Gebilde. Ich habe nie gedacht, dass man mit dreißig Leuten Dinge direkt durchsetzen kann. Wir haben Angebote und neue Ideen in die Debatte gebracht – das schafft Nachfrage. Im CHE standen dreißig Leute 36 000 Professoren und zwei Millionen Studenten an achtzig bis hundert Universitäten und rund 260 Fachhochschulen gegenüber, außerdem 16 Landesministerien mit jeweils 300 Mitarbeitern.« 5
    Das Geheimnis sei, sich Zugang zu verschaffen, Strukturen aufzubrechen, eine Position zu erkämpfen und natürlich Verbündete zu suchen. Müller-Böling verbündete sich

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