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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
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erproben«.

Studiengebühren – Sozialverträglich oder teuflisch?
    Eines der ersten Themen des CHE waren die Studiengebühren. Die Einführung dieser Gebühren bestimmte in den vergangenen 15 Jahren wie kaum ein anderes Thema das öffentliche Bild der Hochschulpolitik in Deutschland, betont Norbert Krause, der am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist. 2008 veröffentlichte er eine Studie über die Debatte und den »rapiden Meinungswandel«. Eindrucksvoll ist der Meinungswandel anhand von zwei Äußerungen von Jürgen Rüttgers zu sehen. Am 9. Dezember 1996 sagte der CDU-Politiker Rüttgers in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung : »Ich bin nach wie vor gegen Studiengebühren, weil ich nicht glaube, dass sie zu einer Verbesserung an den Hochschulen führen. Es gibt in Deutschland überhaupt keine Mehrheiten dafür.« Am 15. Januar 2003 sagte er: »Der Sanierungsstau beläuft sich auf 2,5 Milliarden Euro, und die Landesregierung kürzt weiter. Dies macht die Einführung von Gebühren notwendig.« In sieben Jahren vom Nein zum Ja. Kurz nach Gründung des CHE machte sich Müller-Böling auf eine Reise nach Australien und brachte von dort ein Modell mit nach Deutschland, das er im Oktober 1995 in einem Arbeitspapier vorstellte. Müller-Böling spricht sich darin für die Einführung einer Studiengebühr von jährlich 1000 Euro (2000 Mark) aus, um mit diesen Einnahmen das Hochschulsystem zu finanzieren. Ein »Deutscher Studienfonds zur Qualitätssicherung«, den er forderte, könnte auf diesem Weg angesichts von knapp 1,9 Millionen Studierenden jährlich 3,8 Milliarden Mark einnehmen. Das, so folgerte Müller-Böling, wäre »eine Summe, die die Finanzierungslücke von vier Milliarden Mark zu schließen in der Lage wäre und Deutschland international wieder wettbewerbsfähig machen würde«. Das Geld solle ausschließlich für die Lehre, etwa zur Verkleinerung der Vorlesungen und zur Intensivierung der Betreuung verwendet werden. Studierende, die das Geld nicht aufbringen können, sollten ein Darlehen erhalten, das sie später – entsprechend ihres Einkommens – zurückzahlen. Das heißt: Arbeitslose Hochschulabsolventen oder Akademiker mit geringem Einkommen müssten zunächst nichts zurückzahlen.
    Müller-Böling wollte darauf achten, dass ärmere Studenten durch Gebühren nicht zum Abbruch des Studiums gezwungen werden. Er bezeichnete sein System als sozial gerecht, was ihm sehr wichtig sei. Drohte aber damit nicht doch ein Rückgang der Studentenzahlen? Müller-Böling verwies auf die Schweiz, wo die Zahl nach Einführung von Studiengebühren nicht zurückgegangen sei. Er betonte den hohen »politischen und moralischen Stellenwert« der »Zugangsgerechtigkeit«, wonach alle gesellschaftlichen Gruppen im Hochschulsystem gleich repräsentiert sein sollen. Diesen Wert gelte es »unbedingt zu schützen«. Allerdings sah er ihn durch ein gebührenfreies Studium nicht geschützt, sondern gefährdet. Es war eine raffinierte Argumentation, in der er die Argumente der Gebührengegner für sich nutzen wollte. Nicht ein gebührenfreies Studium sei sozial gerecht, sondern erst Studiengebühren würden ein solch gerechtes System schaffen.
    Das Modell des CHE, das Müller-Böling für sozialverträglich und gerecht hielt, baute in den Augen von Wolfgang Lieb dagegen auf einem »teuflischen Argument« auf. Lieb ist einer der ärgsten Kritiker des CHE. Sein Wort hat in Fachkreisen und unter Professoren Gewicht, weil er auf eigene Erfahrungen sowohl in Hochschulen als auch in Regierungen verweisen kann. Er kennt den Betrieb und das System von innen. Lieb arbeitete nach dem Jurastudium seit 1972 als wissenschaftlicher Assistent an der damaligen Gesamthochschule Essen und wechselte 1976 an die sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Bielefeld. Von 1979 bis 1983 arbeitete er in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramts und anschließend als Leiter des Grundsatzreferates in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in Bonn. Ab 1987 war er zunächst stellvertretender, später Regierungssprecher und Leiter des Landespresse- und Informationsamts des Landes Nordrhein-Westfalen unter Ministerpräsident Johannes Rau. Sein Nachfolger Wolfgang Clement, sagt er, habe ihn dann rausgeworfen. Zuletzt war er von 1996 bis 2000 Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium. Heute gibt er zusammen mit dem Publizisten Albrecht

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