Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
wollte nicht, dass sie einfach kommt und eine fertige Arbeit einreicht und das unmittelbar, nachdem sie gerade zum gleichen Thema eine Magisterarbeit fertiggestellt hatte.
Schily wollte, dass sie sich den Doktortitel erarbeitet, was natürlich Zeit in Anspruch nehmen würde. Reinhard Mohn wurde ungeduldig und fragte Schily, was denn los sei und warum es so lange dauern würde. Schily antwortete ihm, dass es keine Vorrechte für seine Tochter gäbe.
Brigitte Mohn wurde 1993 zur Dissertation zugelassen. Studiert hatte sie von 1984 bis 1992 in Bamberg, Münster und Augsburg Publizistik, Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft und im Juni 1992 in Augsburg ihren Magister in Politikwissenschaft abgelegt, wie sie im Lebenslauf ihrer Doktorarbeit schreibt. Direkt im Anschluss daran begann sie nach eigenen Angaben die Arbeit an ihrer Dissertation.
Am 29. Juli 1993 reichte sie die Arbeit Kommunale Jugendhilfe im Übergang. Analyse ausgewählter Bereiche der Implementation des KJHG (KJHG steht für Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz) am Institut für das Studium fundamentale ein und am 26. Oktober 1993 verteidigt sie diese Arbeit. Thema ihrer Magisterarbeit war ebenfalls die kommunale Jugendarbeit. Das ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist, dass sie die Doktorarbeit an der Universität Witten/Herdecke einreichte – einer Universität, die ihrem Vater sehr verbunden ist. Die Uni galt unter Wirtschaftsleuten als Reinhard Mohns Baby, wie die Wirtschaftswoche einmal schrieb.
Die Doktorarbeit umfasste 130 Seiten und viele Seiten Anhang. Es ist eine bessere Magisterarbeit. Aber Brigitte Mohn hatte keine kritischen Prüfer zu fürchten an der Universität, die ihr Vater finanzierte. Ihr Doktorvater und Hauptgutachter war Professor Josef Maria Häußling, der Wissenschaftliche Direktor der Privatuniversität Witten/ Herdecke. Zweitgutachter waren Ulrich van Suntum (der für die Stiftung später zahlreiche Studien durchgeführt hat), außerdem Professor Theo Stammen, bei dem sie in Augsburg ihren Magistertitel erworben hatte. Ulrich van Suntum sagt heute zu seiner Wahl als Zweitgutachter: »Ich wurde gefragt und habe dem zugestimmt.« Das Thema lag zwar nicht wirklich im Fachgebiet des Wirtschaftswissenschaftlers, aber er traute sich eine wissenschaftliche Bewertung der Arbeit dennoch zu. Im Rückblick sagt er: »Die Arbeit von Brigitte Mohn war keine Überfliegerarbeit, aber sie war passabel.« Es reichte, um einen Titel zu vergeben.
Ein gekaufter Titel? Zumindest wird deutlich, dass Brigitte Mohn keine Scheu hatte, einen Titel zu erwerben, bei dem der Verdacht entstehen musste, dass sie von den Zahlungen des Vaters profitierte.
Die Stiftung entwickelt ein Soll-Modell für Hochschulen
Die Reform der Hochschulpolitik ist eines der ersten Themen, dem Mohn mit seinem Carl Bertelsmann-Preis Aufmerksamkeit verschaffen wollte. Im Mai 1990 lud er dazu Fachleute aus dem In- und Ausland zu einem Symposium über »Evolution im Hochschulbereich« nach Gütersloh ein und präsentierte dort seine Vorstellungen, wie Hochschulpolitik in Deutschland seines Erachtens funktionieren sollte.
Er hatte dafür Mitarbeiter monatelang an einem Konzept arbeiten und nach Beispielen suchen lassen. Stefan Empter, der die Recherchen für den Carl Bertelsmann-Preis leitete, hatte dafür wie immer in die USA geblickt und dort nach Vorbildern und Lösungen gesucht. Bei diesen Recherchen geschah jedoch etwas Ungewöhnliches, wie Mohn bei der Preisvergabe berichtete: Er musste erkennen, dass ihn ein Vergleich mit den USA diesmal nicht weiterbrachte, da die kulturellen und finanziellen Unterschiede einfach zu groß und nicht vergleichbar seien. Deshalb beschränkte die Stiftung sich auf Europa, vor allem auf Großbritannien und auf skandinavische Länder wie Norwegen. Die Stiftung suchte allerdings nicht nach Lösungen und erstellte dann das Soll-Modell, sondern sie erstellte – wie Mohn selbst sagte – zuerst das Modell, so wie Mohn sich eine gute Universität vorstellte, und bewertete dann sechzig Universitäten in Europa, um jene zu finden, der er seinen Preis verleihen und mit deren Beispiel er sein Modell der Öffentlichkeit als das richtige vorstellen konnte.
Er wollte der Öffentlichkeit die »beste« Universität präsentieren, allerdings merkte er im Laufe der Recherchen, dass auch das nicht möglich gewesen sei, weil die Universität stets ein Kind der Hochschulpolitik sei und beides sich deshalb gegenseitig bedingt. Deshalb teilte
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