Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
mit der Hochschulrektorenkonferenz. Diese Verbindung sollte Türen öffnen und Wege ebnen. Diese Rechnung, sagt Müller-Böling, sei aufgegangen, beispielsweise bei den Studiengebühren. Wolfgang Lieb, von 1996 bis 2000 Wissenschaftsstaatssekretär in Nordrhein-Westfalen, meint dazu, dass die HRK bei den Studiengebühren eine Kursänderung vollzogen habe und das sei »vor allem darauf zurückzuführen, dass das CHE zu einer Art Schreibtisch für die HRK geworden ist«. Die HRK sei davor eine relativ bedeutungslose Vereinigung gewesen, vor allem auf Bundesebene. Aber die HRK habe dem CHE »ein einigermaßen unverdächtiges Entree in die Hochschulen vor allem über die Hochschulleitungen« verschafft.
Kritiker konfrontieren das CHE immer wieder mit der Frage, was die Bertelsmann Stiftung und das CHE eigentlich dazu legitimiere, die deutsche Hochschulpolitik mit Mohns unternehmerischen Ansatz zu reformieren, und was ihre eigentlichen Interessen seien. Geht es wirklich nur um Effizienz und Wettbewerb unter den Hochschulen? Müller-Bölings Nachfolger Frank Ziegele behauptete: »Das CHE ist unabhängig, es verfolgt keine Interessen. Es ist der einzige Akteur, der keine Interessen verfolgt, der wirklich unabhängig ist. Da Hochschulfragen aufgrund der föderalen Struktur Ländersache sind, sind wir eine Informationsplattform.« 6
Die Politik des CHE zieht dennoch immer wieder Proteste von Studenten und Professoren auf sich: Das liegt an den Leistungsvergleichen, den Rankings, aber auch an Vermutungen, dass hinter der Politik der Stiftung doch ein Interesse des Konzerns stehe. Geht es in Wahrheit vielleicht auch um die Privatisierung und unternehmerische Strukturen in den Hochschulen, weil die Bertelsmann AG darin einen künftigen Wachstumsmarkt sieht? An dieser Vermutung sind Stiftung und Unternehmen selbst schuld. So antwortet der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann AG, Hartmut Ostrowski, seit Jahren auf die Frage nach Wachstumsmärkten, das Unternehmen sehe Möglichkeiten im Bereich Bildung. Was er genau plant, ist bislang nicht klar, aber solche Aussagen verunsichern Studenten und Professoren. Eines zumindest steht fest: Durch das CHE und seine Verbindungen hat die Stiftung (und mit ihr das Unternehmen, denn die leitenden Positionen sind ja identisch) unzählige Kontakte zu Hochschulen, Fachleuten, Ministerien und Regierungen sowie Einschätzungen über Trends und Bedürfnisse. Die Stiftung und ihr CHE haben sich Zugang und Kompetenz erarbeitet. Doch wie kam es überhaupt zu dem großen Einfluss der Stiftung auf diesen Bereich?
1993 brauchte der Rektor der Universität Dortmund, Detlef Müller-Böling, Geld. Deshalb wendete er sich an Reinhard Mohn und schrieb ihm, dass er gerne eine neue Ordnung an seiner Universität einführen würde, nach der nicht mehr gemäß alter Machtstrukturen Geld verteilt werden sollte, sondern nach Leistung. Müller-Böling ist Betriebswirt und Leistungsvergleiche sind sein Fachgebiet. Er hatte gelesen, dass Mohn in der Stiftung Leistung mit Kennziffern misst, und glaubte, dass er mit seiner Idee Mohn überzeugen könnte, ihm Geld zu geben. Er wusste nicht, dass Mohn prinzipiell kein Geld verteilte, sondern dass er sein Geld für seine Interessen einsetzte. Aber Mohn fand dennoch Gefallen an seinem Gedanken und wollte ihn kennen lernen. Bald darauf erhielt Müller-Böling eine Einladung.
Am 31. August 1993 trafen sich in Gütersloh »die Player der Hochschulpolitik«, wie Müller-Böling sie nennt. Das waren Vertreter vom Wissenschaftsrat, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Hans-Uwe Erichsen, sowie Konrad Schily und weitere Vertreter der Privatuni Witten/Herdecke. Mohn stellte bei dem Treffen fest, dass die Hochschulen reformiert werden sollten, und fragte in die Runde: »Glauben Sie, dass die Bertelsmann Stiftung sich engagieren und für eine Million Mark jährlich ein Institut gründen soll?« Am Ende bat Mohn die Anwesenden, ihm zu schreiben, wie es weitergehen solle. Müller-Böling schrieb ihm, dass er das Institut für eine gute Idee halte.
Mohn fand, dass Müller-Böling der richtige Mann für ihn sei. Im selben Jahr fuhr Müller-Böling noch drei Mal nach Gütersloh und sprach mit Mohn über einen Businessplan und darüber, wie man die HRK einbinden könnte – auch HRK-Präsident Erichsen war schließlich bei einer Besprechung mit dabei. Mohn wollte am liebsten sofort loslegen. Ihm ging alles zu langsam. Es gab von Beginn an zwei wichtige
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