Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung im April 2008 ausdrücklich beide Modelle als Weg, den Markt zu erobern. Beide hätten ihre Vor- und Nachteile. Der Vorteil des Würzburger Modells der Kooperation sei die politische Durchsetzbarkeit, betonte Baron. Das Würzburger Modell stellte Baron übrigens unter den Titel »Dienstleistungspartnerschaft für E-Government« vor. Als Public Private Partnership, »PPP für Bürgerservive aus einer Hand«, präsentierte Arvato das Würzburger Modell am 12. September 2007 (also lange vor der gegenteiligen Versicherung in der Zeit ) auf dem deutschen Kämmerertag und als Dienstleistungspartnerschaft stellt Government Services es ganz offiziell auf seiner Website vor. Arvato hat die Sprache der Stiftung übernommen. Das ist naheliegend und man müsste es gar nicht so sehr betonen, wenn nicht die Stiftung genau das Gegenteil behaupten würde, indem sie versichert, man verfolge grundlegend andere Ansätze.
Neue Datenautobahn endet in Sackgasse
Bei Arvato sprach man von »Wüsion« (Vision für Würzburg) und dem »Einstieg in den deutschen Markt«. Doch der ist schwerer als gedacht. In Würzburg wechselte im Mai 2008 die Rathausspitze. Oberbürgermeisterin Pia Beckmann wurde abgewählt und es folgte Georg Rosenthal von der SPD; Christoph Baron verließ sein Büro der Government Services in Berlin. Nach drei Jahren ziehen Stadt und die Main Post im Mai 2010 eine ernüchternde Bilanz: »Neue Datenautobahn endet als Sackgasse« titelt die Würzburger Lokalzeitung. Das Projekt sei »gescheitert, auch wenn kein Beteiligter das so direkt bestätigen mag«, schreibt das Blatt. Das System sei »technisch zu komplex, zu aufwändig«, und führe kaum zu messbaren Einsparungen, sagen Oberbürgermeister Georg Rosenthal und Projektleiter Wolfgang Kleiner. Zudem sei die geplante Datenbank unter Datenschutzaspekten »sehr bedenklich«. Ist das Prestigeprojekt von Bertelsmann, das Arvato zu großem Wachstum verhelfen und die kommunalen Verwaltungen in Deutschland revolutionieren sollte, damit gescheitert? Auf jeden Fall ist es ein Rückschlag für Mohns Theorie, dass Bertelsmann die bessere und effizientere Verwaltungsarbeit leiste: Gescheitert ist ja nicht nur ein Pilotprojekt der AG, sondern auch das Versprechen der Stiftung, mit integrierten Outsourcing-Lösungen die Finanzprobleme der Kommunen zu beheben.
Statt Einsparungen zu verbuchen habe die Stadt im Gegenteil erhebliche Investitionen hinsichtlich Personalkosten für dieses Projekt aufgebracht, betont Kommunalreferent Kleiner. »Gemeinsam mit dem Dienstleister mussten wir leider eine ernüchternde Bilanz ziehen«, sagte der Oberbürgermeister der Main Post . Die Stadt habe keine einzige Stelle eingespart. Das bedeutet: Arvato hat nichts außer Verlusten gemacht – wenngleich weder Stadt noch Arvato dies bestätigen. Fest steht auch, dass nach Einschätzung der Stadt keine einzige Stelle überflüssig ist. Die Kritiker jubelten leise und tauften das Projekt um in »Würzburg blockiert« oder »Würzburg frustriert«. Die Main Post spekulierte über ein vorzeitiges Ende des Vertrags mit Arvato: Der Vertrag kann nach Ablauf von vier Jahren in 2011 erstmals gekündigt werden. Die Stadt bestätigte das nicht, dementierte aber kaum. Mit Arvato will die Stadt »neue Aufgabenfelder formulieren«. Das elektronische Bürgerbüro hingegen lobt der Oberbürgermeister als »richtigen Weg.« Dazu brauche es allerdings keinen zentralen Datenzugriff.
Interessanterweise war die Stadt Gütersloh vorsichtig. Sie informierte sich zwar über das Würzburger Pilotprojekt, schloss aber keinen Vertrag ab. Das ist bemerkenswert, bedenkt man, dass Arvato der größte Arbeitgeber in Gütersloh ist. Vielleicht erklärt das aber auch die Zurückhaltung. Der Frage, warum eigentlich das Rathaus in Gütersloh nach anfänglichem Interesse nichts von Arvato wissen will, weicht Arvato aus. Ausgerechnet in Gütersloh gilt das Projekt als politisch nicht oder nur sehr schwer durchsetzbar – zumindest nicht ohne Diskussion und Proteste. Das will Bertelsmann vermutlich vermeiden, weil man eine negative Signalwirkung fürchtet.
In England gewann Arvato einen weiteren Kunden im Bezirk Sefton dazu. Und auch in Deutschland kamen einige Aufträge hinzu: aus der Staatskanzlei in Düsseldorf, und seit 2009 bearbeitet Arvato für das Land Baden-Württemberg niedergeschlagene Justizkostenforderungen (Gerichts-, Notar-, Registerkosten). Zudem hat das Tochterunternehmen arvato
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