Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Dienstleistungspartnerschaften« und es ist von »Shared Services« die Rede. Es wird das Beispiel der Stadtwerke Ingolstadt genannt: Diese haben die Abrechnung der privatrechtlich geregelten Strom-, Gas- und Wärmelieferungen an die Holding Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH übertragen, welche nun auch Aufträge von externen Kunden übernimmt. Das klingt zunächst harmlos im Vergleich zur Übernahme der Verwaltungsaufgaben durch die Bertelsmann-Tochterfirma Government Services.
Obendrein äußern sich Stiftung und Städtebund skeptisch gegenüber klassischem Outsourcing und kritisieren, dass es in den neunziger Jahren zu Unrecht als Allheilmittel zur Kostenreduktion in der industriellen Produktion, etwa in der Automobilbranche, gesehen wurde: »Die Euphorie mag verflogen sein, nicht jedoch die Zweckmäßigkeit. Allerdings muss der Mehrwert einer Auslagerung kritisch hinterfragt werden, und es muss festgestellt werden, ob durch die Auslagerung Abhängigkeiten entstehen, die nicht mehr von dem Auftraggeber kontrolliert werden können.« 5
Diese kritische Haltung der Stiftung ändert aber nichts daran, dass Arvato durchaus ähnlich vorgeht. In East Riding hat die Arvato-Tochtergesellschaft Government Services zur Vermarktung der Dienste ein gemeinsames Unternehmen mit der Grafschaft gegründet, ein sogenanntes Public Private Partnership (PPP). Arvato besitzt 80 Prozent an diesem Joint Venture, die Grafschaft East Riding of Yorkshire Council knapp 20 Prozent. Arvato nennt das eine »strategische Partnerschaft«. Sie soll es leichter machen, Politiker, Bürger und andere Kommunen für die eigenen Zwecke zu gewinnen. Ziel dieses Joint Ventures ist also die gemeinsame Vermarktung der Dienstleistungen an andere Kommunen. Arvato bezeichnet diese Partnerschaft auch – und das ist bedeutsam und vielsagend – als eine »Dienstleistungspartnerschaft«. So formuliert Arvato das schriftlich in einem Vortrag. Dienstleistungspartnerschaft ist der gleiche Begriff, mit dem auch die Stiftung für ihr Konzept wirbt.
In Würzburg ist das Geschäftsmodell anders: Dort ist Arvato Dienstleister. Arvato schafft eine einheitliche Internetplattform für Bürger, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeiter. Diese Dienstleistung ist ausgelagert und die Mitarbeiter sind weiterhin bei der Kommune angestellt. In Würzburg erzielt Arvato den Gewinn im Gegensatz zu East Riding nicht aus der Tätigkeit von Mitarbeitern, die von Bertelsmann bezahlt sind, sondern durch Einsparung von Personal.
In der kommentierten und korrigierten Version des vertraulichen Vertragsentwurfs vom 25. Januar 2007, der dem Autor dieses Buches vorliegt, ist von »Vereinfachung, Verschlankung, Beschleunigung« die Rede, nicht aber von einer 100-prozentigen Übernahme. In gemeinsamer Absprache sollen vor allem Prozesse mit hohem Einsparpotenzial umgesetzt werden. Ausdrücklich heißt es im Vertrag: »Die Verbesserung aller von der Stadt genannten Prozesse ist nicht zwingendes Ziel des Projekts.« Es ist ein gemeinsames Projekt und die Vertreter der Stadt sollen mitbestimmen. Dazu gründeten Arvato und die Stadt mehrere Gremien, etwa einen Lenkungsausschuss und ein Projektteam aus Arvato- und Verwaltungsbeamten.
In Würzburg hat Government Services folglich einen Vertrag geschlossen, wonach Arvato keine hoheitlichen Aufgaben erledigt. Das heißt, auch in Würzburg übernimmt Bertelsmann die kommunalen Aufgaben eben nicht zur Gänze. Als die Würzburger Oberbürgermeisterin Pia Beckmann angesprochen wird, Würzburg habe als erste Kommune in Deutschland einem Privatunternehmen Verwaltungsaufgaben anvertraut, anwortet sie: »In Ihrer Frage liegt ein Missverständnis. Es ist nicht so, dass wir einem Privatunternehmen Teile unserer Verwaltung überlassen hätten. Wir sind als Stadt eigenständig und wollen das auch bleiben.«
Tatsächlich will Arvato nicht ganze Verwaltungen übernehmen, Bertelsmann ist offen für viele Modelle. In Würzburg liegt der Schwerpunkt nicht auf der Übernahme von Tätigkeiten, die Bertelsmann eins zu eins ausführt, sondern es geht um die Einführung von Software, die als Schnittstelle mehrerer Abteilungen dient und unterschiedliche Aufgaben und Abteilungen integriert. Das Verdienst kommt durch diese Einsparung zustande, nicht indem Bertelsmann alles wie bislang erledigt.
An beiden Modellen wird deutlich, dass Arvato flexibel ist. Der ehemalige Leiter der Abteilung Government Services, Christoph Baron, nannte in einem Vortrag vor
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