Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
sich heran und wollte aufspringen, hätte er sie nicht schnell am Arm gefasst. Sein eisblaues Auge funkelte sie gereizt an. »Könntest du mir bitte erklären, was dein Problem ist?«
Sie schüttelte nur den Kopf.
»Verdammt, Mädchen, ich will dir doch nichts tun!«
» Weiß ich das mit Bestimmtheit?«, flüsterte sie kaum vernehmlich und bevor er zu einer Erwiderung ansetzen konnte: »Ich weiß, was hier nicht stimmt.«
War es doch nicht Ennyd?
»Und zwar…?«
» Sei still«, forderte sie ihn auf und erhob sich langsam.
» Was?«
» Psst!« Crevi lauschte angestrengt in die Dunkelheit. »Hörst du das?«
Er schaute sie nur verwirrt an und löste langsam den Griff um ihren Arm . »Ich höre nichts.«
» Ganz genau das ist es ja«, erklärte sie mit zitternder Stimme. »Ich höre auch nichts. Absolut nichts.« Hatte sie den Weg über gelegentlich das Rascheln von Mäusen im Gebüsch, die Schreie von Vögeln und das Rauschen des Windes vernommen, so herrschte nun völlige Stille. Es war, als hätte jedes Leben den Wald verlassen.
» Was hat das zu be…?« Bevor der Dieb seine Frage zu Ende formulieren konnte, riss ihn etwas von den Beinen.
Crevi wurde in eben jenem Moment abrupt nach hinten geschleudert. Ihr blieb nicht einmal Gelegenheit einen Schrei auszustoßen, so brachial wurde ihr die Luft aus den Lungen gepresst. Hustend schnappte sie nach Luft und hielt sich die Brust, während sie versuchte , die Situation zu erfassen.
Etwas Vierbeiniges und Schlankes drückte Ennyd mit seinem Körper zu Boden und schnappte ohne innezuhalten nach seiner Kehle.
»Ennyd!«, schrie sie voller Panik. Blitzschnell huschte ihr Blick über den Waldboden auf der Suche nach etwas, womit sie ihrem Begleiter helfen konnte. Nichts! Rein gar nichts! Das konnte doch unmöglich sein…
Jaulend sprang die Kreatur von dem Phantom zurück und hielt sich die Schnauze, die mit einer feinen Spur Eis überzogen war.
Ennyd kam wieder auf die Beine und starrte das Wesen keuchend an. Dieses starrte zurück und fletschte die Zähne. Es war unmöglich Genaueres von der Kreatur auszumachen. Crevi hing wie benommen an dem Furcht erregenden Gebiss, das weiß im Dunkeln aufblitzte und den Tod verhieß.
» Verschwinde, Crevi!«, schrie Ennyd, bevor die Bestie erneut in seine Richtung sprang. Diesmal wich er aus – sehr zu ihrem Erstaunen. Fing den geführten Hieb der Klauenhand mit dem bloßen Arm ab. Zwischen seinem zerrissenen Mantel hatte sich seine Haut vollkommen in Eis verwandelt, an der die Krallen des Gegners abglitten und keinen Schaden anrichteten.
» Aber ich…« Sie konnte ihn unmöglich alleine lassen! Wenn sie ihm doch nur irgendwie helfen könnte. Ihre Gedanken rasten.
» Unsinn! Hau ab, solange das Biest mit mir beschäftigt ist«, fuhr er ihr ins Wort und seine Stimme klang dabei so ernst, dass sie erkannte, wie Recht er hatte. Der Feind rang ihn erneut zu Boden, knurrte bestialisch und der Ärger aus den leuchtend gelben Schlitzen seiner Augen sprach Bände.
Crevi sammelte sich und rannte los. Sie wusste nicht wohin. Sie wollte nur fort von diesem Monster. So weit fort wie möglich.
Ihre Stiefel flogen über den unebenen Boden, wirbelten Blätter und Äste auf, während die Bäume wie dunkle Schemen an ihr vorbeizogen. Kaum etwas blieb ihr von ihrer Umgebung in Erinnerung. Alles huschte undeutlich an ihr vorüber, vermischte sich mit dem Rauschen in ihren Ohren und ließ sie halb ohnmächtig vor Anstrengung immer weiter laufen.
Sie durfte nicht stehen bleiben.
So viel stand fest.
Crevi war sich sicher, noch nie in ihrem Leben so schnell gerannt zu sein. Wenngleich ihr die Beine schmerzten und ihre Lunge zu bersten drohte, so dachte sie nicht daran , innezuhalten. Irgendwo dort hinten war die Bestie. Es war Todesangst, die ihr Flügel verlieh und sie unaufhörlich anspornte.
Sie sprang einen Hügel hinunter und landete mit den Stiefeln voran in matschigem Morast, der ihr bis an die Knie spritzte. Ungeachtet dessen setzte sie ihren Weg fort, blickte sich um und erwartete in ihrer Panik schon fast einen Verfolger zu erblicken.
Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wie weit sie sich bereits von Ennyd und der Kreatur entfernt hatte. Doch bei dem Gedanken an den Dieb schnürte es ihr die Kehle zu. Wie sehr sie hoffte, dass ihm nichts geschehen war und ihm der Dämon – was sollte es anderes gewesen sein? – nichts angetan hatte. Tränen traten ihr in die Augen und fanden den Weg über ihre
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