Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
sich auch jede Faser ihres Körpers gegen dieses Unternehmen sträubte, so musste sie ihm Recht geben. Sie mussten sich davon überzeugen, dass sich die Perle nicht an diesem Ort befand. Möglicherweise war dies nicht nur das erste Anzeichen, um ihrer Suche in Jwyn eine Richtung zu geben, sondern wer wusste schon, ob es sich nicht ebenso als das letzte entpuppen würde?
Schief lächelnd hielt ihr der Dieb seine Hand entgegen, die sie geflissentlich übersah. Stattdessen setzte sie eine entschlossene Miene auf, das ungute Gefühl in ihrer Magengegend und das Blut an ihren Händen ignorierend, und meinte : »Schätze, dann sollten wir uns das mal ansehen.«
Damit schickte sie sich an, den ausgetretenen Pfad zur Stadt einzuschlagen. Gemei nsam hielten sie Ausschau nach Anzeichen einer Bedrohung, doch außer den aufsteigenden Rauchsäulen war nichts zu entdecken. Die Grabesstille war unheimlich.
Kaum hatten sie die ersten Hütten erreicht, wurde Crevi sich Ennyds Gegenwart erleichtert bewusst.
Sie folgte dem Mann, der scheinbar planlos eine breite Straße einschlug, die auf einen zentralen Punkt im Dorf zulief.
Gespenstisch zogen die aufgerissenen Türen und eingeschlagenen Fenster an ihnen vorbei, während die unterschiedlichsten Gegenstände auf der Straße verteilt lagen, als hätte jemand in aller Eile versucht, alles, dessen er habhaft werden konnte, an sich zu reißen. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie hilflos die Dorfbewohner gewesen sein mussten.
Hier und da säumten vereinzelte Leichen den Straßenrand, grotesk verrenkt oder entstellt. Die Toten schienen von einer Horde ungezügelter Bestien überwältigt worden zu sein.
Unwillkürlich rückte Crevi näher an Ennyd heran. Der Qualm brannte ihr in den Lungen. Sie rechnete ständig damit, einem zurückgebliebenen Dämon zu begegnen. So sehr sie sich bemühte, den Gedanken bei Seite zu drängen, er blieb.
Wieso hatte sie Ennyd nachgegeben? Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sauer Vlain wäre, wüsste er darum.
Jeder Schritt schien sie ihrem Unglück entgegen zu tragen. Sie spürte es.
Ihre Nerven lagen blank.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Ennyd.
Sie nickte tapfer.
Sie wollte nichts mehr von alledem sehen.
Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrt gemacht.
Je weicher ihre Beine wurden, desto heftiger wurde ihr Bedürfnis danach, keinen Schritt weiter zu gehen. Sie glaubte bereits, jeden Augenblick die Beherrschung zu verlieren, als ihr Begleiter abrupt stehen blieb.
Bevor sie etwas sagen konnte, hob er einen Arm und bedeutete ihr zu schweigen. Beunruhigt riskierte sie einen Blick über die Schulter.
Nichts.
Blitzschnell trat Ennyd hinter sie und legte ihr eine Hand über den Mund . »Sch, irgendjemand ist ganz in der Nähe.« Möglichst lautlos zog er sie von der Straße und in den Schatten eines Hauseingangs.
Gerade noch rechtzeitig. Nur Sekunden darauf klangen verzerrte Stimmen an ihre Ohren.
Mucksmäuschenstill harrten sie der nahenden Schritte. Crevi wagte kaum zu atmen.
Eine winzige unbesonnene Bewegung könnte sie verraten, dessen war sie sicher.
Als zwei menschliche Gestalten nur wenige Schritte von ihr entfernt vorüberzogen, wurde ihr Mund staubtrocken. Sie erkannte die Frau auf Anhieb.
Jeglicher Zweifel verblich.
Ihre Vermutung erwies sich als zutreffend. Die Dämonen waren ihretwegen hier. Sie waren uns ganz dicht auf den Fersen. Wir hätten uns nicht ohne jede Vorkehrung in Sicherheit wiegen dürfen. Es war ein Fehler , dachte sie immer wieder. Sie waren die ganze Zeit über hinter uns. Plötzlich kam sie sich klein und verletzlich vor.
Sie stand dem Feind gegenüber.
Nichts trennte sie mehr voneinander.
Sie hätte die Hand ausstrecken und den schwarzen Umhang der Dämonin streifen können.
Wie hatte sie nur so unvernünftig handeln können!
Bang zählte Crevi die Sekunden, die sie Gefahr lief, von Liwy gesehen zu werden. Wenn die Dämonin sie allerdings bemerkt hatte, so ließ sie sich nichts davon anmerken. Vertieft in ein Gespräch mit ihrem Begleiter schlenderte sie plaudernd an ihrem Versteck hinüber.
Hinter ihr stieß Ennyd langsam die Luft aus . »Wir hatten Glück.«
Ein Nicken.
Sonst nichts.
» Na ja, sehen wir das Auftauchen der beiden positiv. Vielleicht können wir…«
Da platzte es aus Crevi heraus: »Bist du völlig verrückt?« Ihre Stimme wurde schneidend. »Ist dir nur annähernd bewusst, in welche Gefahr du uns gebracht hast? Hast du etwa noch mehr so tolle Ideen, du
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