Besitze mich! (Band 2)
Paul. Fabien hat mir gesagt, dass Sie kommen. Ein Kaffee wird Ihnen sicher gut tun ...“
Dani Olivier war überwältigend schön. Er hatte gewelltes, blondes Haar, einen dunklen Teint und einen leicht schwebenden Blick, wie man ihn oft bei Kurzsichtigen sieht. Einige Details ließen erkennen, dass er zu den angesagten Künstlern gehörte, die man sich in den aufstrebenden Vierteln vorstellt, an neuen Orten in großen Städten, die sie vor der restlichen Welt entdecken. Dani trank seinen Kaffee mit großem Genuss, Paul schenkte ihm sofort einen zweiten ein.
Ich fand das den passenden Augenblick, um in Erscheinung zu treten...
„Hallo Dani, ich bin Alice. Willkommen in Paris. Wir freuen uns, Sie hier begrüßen zu dürfen. Heute Abend erwarten wir viele Leute in der Buchhandlung. Sie wollen sich sicher erst einmal ein wenig ausruhen?“
„Sehr erfreut, Alice. Fabien hat mir Ihre Lebensgeschichte erzählt. Nicht weit von hier in der Rue Beaumarchais hat er ein Zimmer in einem kleinen Hotel für mich reserviert. Ich werde da meine Sachen abstellen und kurz duschen, bevor ich mich ans Aufhängen mache. Ist das für Sie in Ordnung, Alice?“
Paul gab mir ein kleines Zeichen, ich sollte - das gehörte zu meinen Aufgaben - ihn bis zum Hotel begleiten.
„Paul, ich sehe Sie dann heute Abend, Sie kommen doch auch? Ich würde mich freuen.“
Ich begleitete also Dani. Ich hatte das Gefühl, eine Spezialagentin zu sein, die einen staatenlosen Migranten eskortierte, der keinem Land angehörte. Einen kampferprobten Abenteurer. Mich amüsierte das und ich erkannte an den Blicken der Frauen, die uns begegneten (und auch an denen der Jungs aus dem Viertel), dass Dani den passenden Charme versprühte. Den eines Mannes, der Dinge entdeckt hat, die andere nicht kannten, und der in unerforschte Gebiete vorgedrungen war. Dass er die Aura eines Entdeckers besaß. Ganz anders als der selbstsichere Charme Adriens, dem ganz Paris zu gehören schien.
„Sie haben sicherlich zu tun, Alice. Sie hätten mich nicht begleiten müssen. Aber gut, Ihr Blick wird mir sicherlich helfen, die passenden Fotos auszuwählen, Sie kennen die Örtlichkeiten besser als ich.“
Ich hörte nur halb zu, was er sagte. Ich wartete auf eine Nachricht von Adrien. Auf ein Zeichen. Das mir was sagen sollte? Ich wartete auf nichts Bestimmtes, ich wollte nur sicher sein, dass die Verbindung nicht abbrach und ich ihn wiedersehen würde. Ich war mir so unsicher...
„Zimmer 26 auf den Namen Olivier“, sagte Dani.
Eine seltsame Situation ... Vor ein paar Stunden war ich eine Frau, die in einem Hotel auf einen Mann wartete. Im Hôtel Amour mit einem Mann, der sich meines ganzen Verlangens bemächtigt hatte. Man muss uns für ein Pärchen halten, schoss es mir in einem klaren Augenblick durch den Kopf. Offensichtlich betreten in den meisten Fällen ein Mann und eine Frau ein Hotel, weil sie zusammen sind, mit allen Möglichkeiten, die dieses Wort „zusammen“ enthält. Was bei Adrien nicht zutraf und ebenso wenig bei Dani Olivier. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ob ich auf ihn warten sollte oder nicht ... Er kam mir zuvor.
„Alice, ich werde jetzt hochgehen und duschen. Wenn Sie mögen, können Sie in dieser Zeit eine Auswahl an Abzügen treffen, die Sie bei sich aufhängen möchten. Fabien hat mir von Ihren scharfen Luchsaugen erzählt.“
Der Ausdruck brachte mich zum Schmunzeln, also ging ich mit ihm nach oben. Ich stellte mir vor, dass es auch in diesem Hotel Frauen gab, die, wie ich gestern, trunken vor Verlangen die Stufen emporkletterten. Dani beobachtete mich, wie ich in meinen Gedanken schwelgte.
„Alice, Sie sind ganz woanders. In welcher Gegend? Erzählen Sie mir davon. Vielleicht kenne ich das Land. Ich glaube, dass ich praktisch überall schon Abenteuer erlebt habe.“
Danis Humor tat mir gut. Mit einer Hand überprüfte ich, ob mein Handy funktionierte und vor allem, ob ich eine neue Nachricht erhalten hatte, die mich näher zu ihm brachte, zu Adrien. Aber nein, nichts, nur ein versäumter Anruf von meiner Freundin Marie.
Dani holte seinen Computer, um mir alle Fotos zu zeigen, die wir aufhängen konnten. Es waren etwa Hundert regelmäßige Besucher des Central Parks. Danis Sammlung trug einen Titel, der mir sehr gefiel:
Central Park Solitüden
.
Sie stellte ein Jahr der Begegnungen mit Männern und Frauen verschiedenen Alters im Central Park dar, die er gemacht hatte, als er in New York lebte. Man sah Jogger, Radfahrer, viele
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