Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
unter den Füßen zu spüren. Die Promenade lag ganz verlassen. In zwei Stunden wird der erste Menschenstrom eintreffen. Ich sog die frische Morgenluft mit tiefen Atemzügen ein und trabte zum Wasser hinunter. Jetzt war die einzige Tageszeit, um richtig zu schwimmen. Man hatte den ganzen Atlantischen Ozean für sich allein.
Ich ließ das Handtuch von meinen Schultern fallen und sah an meinem Körper hinab. Auf meinem Arm war nur eine schwache weiße Narbe zurückgeblieben, wo Spit mich getroffen hatte. Alles übrige war verschwunden und verlor sich in der dunklen Sonnenbräune, die meinen Körper bedeckte. Ich habe wahrhaftig Glück gehabt. Mit einem Hechtsprung war ich im Wasser und schwamm rasch auf das weit draußen verankerte Floß zu. Der Geschmack des Salzwassers drang mir in Mund und Nase. Es war erfrischend und belebend. Der Strand schien weit entfernt und nur noch ganz klein. Ich legte mich auf den
Rücken uid ließ mich treiben. Es war beinahe so, als wäre ich allein auf der Welt.
Kaum glaublich, daß fast zwei Monate vergangen waren, seit mich Sarah in jener Nacht hierhergebracht hatte. In Wirklichkeit hatte nicht ich diese grauenvolle Nacht durchlitten, sie war einem ganz andern Menschen widerfahren, der in meinem Körper gelebt und meinen Namen getragen hatte. Doch das lag jetzt alles weit hinter mir. Sarah hatte mir einen neuen Namen gegeben, während sie die Leinenstreifen in heißes Wasser tauchte und mir den Schmutz und das verkrustete Blut von Arm und Hüfte wegwusch. Danny White. Diesen Namen hatte sie mir gegeben, als sie mich ihrem Bruder vorstellte. Ich lächelte, als mir diese Szene einfiel. Zunächst war ich zu schwach gewesen, um zu protestieren, als ich aber am folgenden Tag die Zeitungen las und meinen Namen unter den Bildern der Boxchampions sah, war ich ihr dankbar. Je weniger ihr Bruder oder sonst jemand von mir wußte, desto besser war es. Wir hatten die Zeitung eifrig nach einer Notiz über das Schicksal von Spit und dem Kassierer durchsucht, jedoch nichts gefunden.
Wir hatten verwunderte Blicke gewechselt, wagten aber bis am späten Nachmittag nicht darüber zu sprechen, bis Ben weggegangen war, um Eßwaren einzukaufen.
»Glaubst du, daß man sie schon gefunden hat?« fragte ich. Sie schüttelte mit einem sehr beunruhigten Ausdruck den Kopf. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie, »heute abend werde ich mehr wissen.«
»Du gehst zu ihm zurück?« fragte ich ungläubig. »Ich muß«, antwortete sie gelassen. »Wenn ich nicht wiederkäme, würde er sofort wissen, daß etwas nicht stimmt, und mich suchen lassen. Es ist die einzige Möglichkeit für uns, in Sicherheit zu bleiben.«
Ich versuchte mich in dem schmalen Bett aufzusetzen, war aber noch zu schwach und fiel wieder in die Kissen zurück. »Ich muß von hier weg«, murmelte ich, »ich bring dir doch nichts als neue Sorgen.« Sie sah mich neugierig an. »Wohin willst du denn gehen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete ich, »aber ich werde schon was finden. Ich kann nicht hierbleiben, denn früher oder später werden sie's doch herausbekommen. Dann müßtest auch du darunter leiden.« Sie beugte sich zu mir und strich mir leicht über die Wange. »Du bleibst hier, Danny«, sagte sie ruhig, »du bleibst hier und wirst gemeinsam mit Ben arbeiten. Er braucht eine Hilfe, denn er kann das Geschäft nicht allein führen.«
»Wenn mich aber jemand erkennt?« fragte ich. »Niemand wird dich erkennen«, sagte sie mit Überzeugung. »Coney Island ist so weitläufig, im Sommer kommen über eineinhalb Millionen Menschen her, und in einer Menschenmenge kannst du dich am besten verbergen. Sie werden nie auf die Vermutung kommen, daß du hier bist.«
Ich starrte sie an. Was sie sagte, war zweifellos vernünftig. »Was geschieht aber mit dir?« fragte ich. »Er wird doch bestimmt wissen wollen, wo du die vergangene Nacht gewesen bist. Was wirst du ihm sagen?«
»Nichts«, sagte sie entschieden. »Schließlich hat jeder Angestellte das Recht, sich einen Tag freizunehmen. Wenn er mich fragen sollte, was ich getan habe, dann werde ich ihm sagen, daß ich meinen Bruder besucht habe. Er weiß, daß ich ihn jede Woche besuche.«
Jetzt war es an mir, neugierig zu sein. »Weiß dein Bruder etwas über Maxie?«
Sie nickte mit abgewandtem Blick. »Er glaubt, daß ich Maxies Privatsekretärin bin. Und zuvor, glaubt er, habe ich als Modell gearbeitet.« Sie sah mich wieder mit einem flehenden Blick an. »Als er vor fünf Jahren, nach seinem
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