Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
endgültig!« Durch die Türe hörte ich ihr Schluchzen, und gleich darauf das Knipsen des Lichtschalters. Der Lichtschimmer unter der Türe war verschwunden, und das Schluchzen verklang langsam im Innern der Wohnung. Dann herrschte tiefe Stille.
Einen Moment stand ich tief erschüttert und in grenzenloser Verwirrung vor der Türe. Dann begriff ich. Es war vorbei - alles war vorbei. Papa hatte Ernst gemacht.
Langsam stieg ich die Treppe hinunter, einsam, verlassen und wie ausgebrannt. Auf dem Vorplatz schlug mir die Nachtluft kühl entgegen. Ich sank auf die Stufen und lehnte meinen Kopf an das Eisengitter. Tränen liefen mir über die Wangen, und in meinem Arm fühlte ich brennende Schmerzen. Ich strich mit der Hand darüber hin, meine Finger wurden feucht und klebrig.
Meine Handfläche war zerschnitten und blutete, und mein rechter Ärmel war aufgeschlitzt. Durch den Riß konnte ich bei dem schwachen Lichtschein den Schnitt in meinem Arm sehen. Blut quoll langsam hervor, aber auch das war ohne Bedeutung. Mir war alles gleichgültig, ich war zu müde. Ich stützte meinen Kopf gegen das Gitter und schloß die Augen.
Sie blieben aber nur einen Moment geschlossen, denn ich riß sie mit einem Ruck wieder auf. Das sonderbare Gefühl, das ich schon früher am Abend gehabt hatte, war wiedergekehrt. Jemand beobachtete mich. Mit aufgedunsenen, verschwollenen Augen spähte ich die Straße entlang.
Auf der gegenüberliegenden Seite parkte ein Auto. Die Scheinwerfer waren abgeblendet, doch der Motor lief leise. Sie waren wieder hinter mir her! Spit und der Kassierer mußten bereits Bericht erstattet haben.
Ohne mich zu erheben, rollte ich auf den Bauch und kroch in den Hausflur zurück. Dort blieb ich einen Augenblick zusammengekauert liegen und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Vielleicht konnte ich durch den Hinterhof schleichen und ihnen über das Dach des nächsten Hauses entkommen.
Doch ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit überkam mich. Was wäre damit erreicht? Sie werden ja doch so lange hinter mir her sein, bis sie mich gefunden haben. Sie hatten überall ihre Freunde. Es gab keinen Platz, an dem ich mich verbergen konnte. Ich griff in die Tasche. Das Geld war noch da. Vielleicht lassen sie mich noch einmal davonkommen, wenn ich ihnen das Geld zurückgebe? Doch während ich noch überlegte, wußte ich bereits, daß es nichts nützen würde. Ich hatte es zu weit getrieben. Ich wußte auch zuviel.
Doch das Geld kann dem Zweck, für den ich es gewollt hatte, noch zugeführt werden. Der Alte konnte sich das Geschäft damit kaufen. Mindestens aber bekommen Mama und Mimi auf diese Art eine Chance. Wenn sie mich mit dem Geld erwischen, dann würden sie alles haben. Wozu ihnen den ganzen Gewinn überlassen? Neben mir auf dem Boden lag ein Reklamezettel. Ich hob ihn auf und betrachtete ihn. »Großer Ausverkauf in Berners Drugstore.« Ich drehte ihn um, die Rückseite war leer. Ich griff in die Tasche und holte meinen Bleistift heraus. Meine Worte standen mit Bleistift und Blut auf dem Papier:
Liebe Mama - das Geld ist für das Geschäft. Laß nicht zu, daß er's wegwirft. Grüße, Danny.
Ich faltete die Banknoten in das Papier, stand auf und schob es in unsern Briefkasten. Jetzt war ich froh, daß die Regierung unsern Hausherrn gezwungen hatte, neue Briefkästen aufzustellen, denn die alten waren zerbrochen gewesen, und jedermann konnte sie öffnen. Mama wird das Geld morgen früh finden, wenn sie die Post holt.
Der Wagen stand noch immer mit leise laufendem Motor auf der Straße. Ich klopfte den Staub von meinen Hosen. Während ich langsam die Stufen hinabging, stieg mir vom Magen ein dumpfes Gefühl entsetzlicher Übelkeit auf. Ich kehrte dem Wagen absichtlich den Rücken und schritt die Straße hinunter. Als ich die Hälfte des Häuserblocks hinter mir hatte, hörte ich, wie sie den Gang einschalteten und gleich darauf das leichte Geräusch der Reifen, als sich der Wagen vom Straßenrand entfernte. Ich unterdrückte den heftigen Wunsch davonzulaufen und blickte rasch über die Schulter. Der Wagen schwenkte plötzlich auf die andre Straßenseite und fuhr direkt auf mich zu.
Der unwiderstehliche Wunsch davonzulaufen wurde noch stärker. Ich unterdrückte ihn. Zum Teufel mit ihnen! Ich blieb stehen und sah dem Wagen, der auf mich zukam, entgegen. Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen, und die Todesangst hatte meinen Körper zu Eis erstarren lassen. Ich schluckte verzweifelt und versuchte den Brechreiz,
Weitere Kostenlose Bücher