Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
Unfall, erfuhr, daß er einen Arm und ein Bein verloren hatte, wollte er sterben. Er glaubte, nie mehr eine Arbeit finden zu können und daß er mir ständig zur Last fallen werde. Wir sind der Rest unsrer
Familie. Es geschah in dem Jahr, in welchem ich das Gymnasium beendete. Ich sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen und daß ich arbeiten und ihn erhalten würde, bis er wieder wohl genug ist, um selbst etwas zu verdienen. Genauso wie er mich erhalten hatte, nachdem unser Vater gestorben war. Ich würde schon einen Job finden.«
Sie sah mich mit einem freudlosen Lächeln an. »Ich war damals noch ein naives Kind. Ich ahnte nicht, wieviel Geld wir für Medikamente und Ärzte benötigen würden, und ich wußte nicht, wie lächerlich wenig man Sekretärinnen und Stenotypistinnen bezahlt. Die fünfzehn Dollar wöchentlich reichten nicht einmal, um den kleinsten Teil der Kosten zu decken. Meine erste Anstellung war bei einem Boulevardtheater-Agenten. Ich lernte rasch,und als ich nach einigen Wochen zu meinem Boß ging und um eine Gehaltserhöhung bat, lachte er mich bloß aus. Ich verstand ihn nicht und fragte, weshalb er lache. >Sie sind zwar ein kluges Kinde, sagte er, >aber ich kann's mir nicht leisten, Ihnen mehr zu zahlen.< >Aber ich brauche das Geldc, rief ich.
Er überlegte einen Moment, dann kam er um den Schreibtisch herum. >Wenn Sie's wirklich so dringend brauchen<, sagte er, >dann kann ich Ihnen zu einer ordentlichen Bezahlung verhelfen. < >Wie?< fragte ich. >Ich will alles tun, denn ich brauche das Geld!< >Heute abend ist eine Party<, sagte er, >einige Freunde kommen in die Stadt und haben mich gebeten, ihnen für den Abend ein paar nette Mädchen zu schicken. Sie zahlen zwanzig Dollar. < Ich starrte ihn an. Ich glaube, ich habe gar nicht verstanden, was er in Wirklichkeit meinte, aber zwanzig Dollar sind eine Menge Geld. Ich ging also zu der Party. Bisher hatte ich etwas Derartiges noch nicht gesehen. Ich war eben im Begriff, wegzugehen, als mein Boß eintrat und mich steif an der Wand lehnen sah. Er lächelte mir verständnisinnig zu und brachte mir einen Drink. Darauf fühlte ich mich wesentlich besser und gelöster. Ich trank noch mehr davon. Und dann erinnere ich mich, mit ihm in ein anderes Zimmer gegangen zu sein.
Als ich am Morgen erwachte, befand ich mich allein in einem unbekannten Raum und hatte entsetzliche Kopfschmerzen. Ich taumelte blindlings aus dem Bett und suchte meine Kleider. Sie lagen auf einem Sessel. Ein Blatt Papier war angeheftet: >Du kannst heute etwas später kommen<, las ich. Und unter dem Papier befand sich eine Zwanzigdollarnote. Jetzt war ich also eine Nutte. Ich betrachtete mich im Spiegel. In meinem Gesicht war keine Veränderung zu entdecken, und auf meiner Stirn befand sich kein Mal. Nichts hatte sich verändert als die Tatsache, daß ich jetzt einen Weg kannte, mir zwanzig Dollar zu verdienen, wenn ich sie brauchte. Und im Laufe der Zeit brauchte ich sie sehr oft.«
Sie erhob sich und sah auf mich herab. Ihr Gesicht war unbewegt, ihre Stimme klang matt und leidenschaftslos. »Und so war es. Ich arbeitete und bezahlte die Arztrechnungen und die Medikamente, aber erst als ich Maxie Fields bei einer Party kennenlernte und ihm gefiel, bekam ich genug Geld zusammen, um Ben das Geschäft hier einzurichten.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Mein Mund war völlig ausgetrocknet, und ich sehnte mich nach einer Zigarette. Ich streckte die Hand nach einer Packung aus, die in meiner Nähe lag. Sie erriet, was ich wollte, und unsre Hände berührten sich. Ich faßte ihre Hand, und sie sah mir traurig in die Augen.
»So war das bis zu dem Abend, an dem du bei mir bliebst, weil ich dich darum bat und weil du nicht wolltest, daß Maxie glauben soll, ich hätte seinem Befehl nicht gehorcht, und weil du nicht wolltest, daß er mich bestraft. Nie ist's aus Liebe geschehen, immer nur für Geld! Nie um meiner selbst willen.. Bis. zu jener Nacht. Da wurde mir plötzlich klar, was ich so achtlos verschachert hatte. Doch jetzt ist's zu spät. Ich habe den Preis bezahlt und kann von dem Geschäft nicht mehr zurücktreten.«
Sie ließ meine Hand los und reichte mir eine Zigarette. Ich steckte sie in den Mund, und sie gab mir Feuer. »Sarah, mußt du wirklich zurück?« fragte ich. »Ich muß zurück«, antwortete sie tonlos und sah mich verloren lächelnd an. »Es kommt mir beinahe komisch vor, daß du mich Sarah nennst. Es ist so lange her, seit mich außer Ben jemand so
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