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Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)

Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)

Titel: Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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hervorschnellen kann. Ähnlich der Betäubung durch eine «Kuhschelle» ist das Tier, das vornehmlich zwei männliche Insekten mit einem Zungenschlag verschlingt, in der Lage, in 0,07 Sekunden die Zungenspitze eine Entfernung zurückschießen zu lassen, die der doppelten eigenen Körperlänge entspricht. Das schwer einzuordnende Geschöpf wird in die Kategorie «floristische Fauna» eingeordnet.

Kunert, die
    Aus dem Osten Deutschlands nach Schleswig-Holstein abgewanderte Unke. Ihre schattigen Laute, nur nächtens zu vernehmen, sind von Forschern noch nicht endgültig dechiffriert worden; manche schreiben sie der Balzzeit zu, um mit dem eigenartigen Grunzen Weibchen anzulocken – andere wiederum interpretieren die aus feuchtem Luchgebiet dringenden, schnattrig klingenden Geräusche als Warnrufe, mit denen das Laichgebiet für den zahlreich schlüpfenden Nachwuchs verteidigt wird.

Kurzeck, der
    Igel. In weit ausgreifenden Fabeln und Legenden wird er als eigensinnig beschrieben, auch als sanftes Tier, das gleichsam mit Bedacht seine Familie über Chausseen führt, zugleich aber nächtens auf Mäusejagd geht: «Sie suchen, sie stöbern, sie jagen. Sie fressen, soviel sie nur können, und bleiben die ganze Nacht wach», heißt es in einer Chronik. Ein besonders farbig die Welt des Kurzeck-Igels ausschmückendes Märchen verleiht ihm menschliche Fähigkeiten: Da kann er den Herbst riechen, an die Unsterblichkeit glauben «oder wenigstens die ewige Wiederkehr»; diese auch «Lollarer Igel» genannte Abart frißt gerne gegorene Beeren, ist dann ein wenig besoffen und rollt sich possierlich auf den Rücken, die kleinen Pfoten über dem verletzlichen Bauch gefaltet; Pfoten und Bauch sind inzwischen immer öfter teerverklebt, von den langen Spaziergängen durch Neubaugebiete. In dem Kinderlied «Vorabend» heißt der Refrain: «Seit ewigen Zeiten wissen die oberhessischen Igel, daß sie nützlich sind und ihnen deshalb hier bei uns in der Gegend keiner was tut.»

Lange, die
    Die «Lange» ist lange Zeit bis hin zur Namensgebung von der Tierforschung falsch eingeordnet worden. Anfangs zählte man sie zu den «Mörderfrauen», auch «Femmes fatales» des Tierreichs genannt, weil sie wie die weiblichen Glühwürmchen mit leuchtenden Liebessignalen ihren Partner ins Gras locken, um ihn dann aufzufressen. Später kam die Theorie von der Nacktschnecke auf, einem Hermaphroditen, der ausprobiert, von wem das Sperma genommen wird. Evolutionsbiologen haben diese These verworfen, zumal die Lange größer ist, zwar fliegen kann wie eine «Femme fatale», aber schwerer und einfallsreicher ist. Neuerdings zählt man sie zur Gattung des Laubenvogels. Aufsehen erregte ein etwas flapsiges Interview, in dem ein Forscher die Eigenart der Lange beschrieb: «Es gibt Laubenvögel, die sich eine ganz tolle Hütte bauen und mit glänzenden Käferpanzern und Blütenblättern schmücken. Man denkt, es sei das Nest für den gemeinsamen Nachwuchs. Von wegen. Es ist eine Junggesellenbude, die nur dazu dient, dem Weibchen zu imponieren und es herumzukriegen. Also, da ist der Weg zu Hugh Hefners ‹Playboy Mansion› nicht mehr weit.
    Frage: Was verrät uns das über die Frauen: Sind sie entweder so doof, auf Blender hereinzufallen? Oder signalisiert so eine luxuriöse Bude: Der Kerl hat entweder Kohle oder günstige Gene? Antwort: Na ja, auf einen gewissen Leistungswillen weist so eine Luxusbude schon hin. Und was vielleicht auch nicht unwichtig ist: Werden die eigenen Söhne genau solche Weiberhelden, werden auch sie ihre Gene besonders breit streuen.»

Lehr, der
    «Das Rätsel der großen Klappe» lautet der Titel einer Studie aus San Diego über diese Tukan-Art mit hoher Intelligenz, deren «Markenzeichen» der übergroße Schnabel ist – bei manchen Sub-Arten mißt er mehr als ein Drittel der Körperlänge. Im Gegensatz zu Alexander von Humboldt, der in dem Riesenzinken ein Instrument zum Fischen sah, haben neuere Forschungen ergeben, daß fast alle Tukane – ob Cuvier-Tukan, Schwarzschnabel-Tukan oder Weißbrust-Tukan – große Früchte bevorzugen, die sie allerdings im ganzen verschlucken, also nicht wirklich verdauen können. Deshalb setzt die Wissenschaft – oft wird von Sandwich-Verbundwerkstoffen gesprochen – Hornplättchen im Tukan-Schnabel voraus, «die von einem organischen Kleber zusammengehalten» werden. Eine andere Studie beschreibt «Atemnot» des Betrachters angesichts des zwar lebhaften und phantastisch bunten Vogels, dessen

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