Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)
sinnlos scheinende Manieriertheit es jedem Zoobesucher zu verbieten scheint, sich zu einer Verschnaufpause «auch ruhig mal keuchend zurückzulehnen».
Lenz, die
Weitverbreiteter Oberflächenbefall der norddeutschen Heidelandschaft, inzwischen Vorkommen auch in Schleswig-Holstein, Hamburg und Dänemark. Es handelt sich um eine Art Trocken-Qualle, die zu herrlichen Farben vermahlen und zerrieben werden kann, wie sie vor allem Nolde gern benutzte; in geringsten Substanzen sehr ergiebig. Die befallenen Pflanzen verfärben sich, gedeihen aber prächtig dabei und sind in Balkonkästen und Zierschalen sehr beliebt wie auch in den Bungalow-Gärten alternder Politiker. Die Forschung konnte noch nicht endgültig klären, ob die Heimat der Lenz tatsächlich in der Masurengegend zu lokalisieren ist und wieso sie dann besonders gut in dänischen Küstengebieten gedeiht und erst in den späten 50 er Jahren so starke Verbreitung fand. Die gutartige und umweltfreundliche Lenz wird fälschlich als Schädling verfolgt, wo sie doch selber früher Brennesseln am Wegesrand die Köpfe abhieb und dergestalt ihre Verbreitung bekämpfte. Tatsächlich gehören Schädlinge zu ihrer Nahrung.
Lettau, der
Vor zwei Jahrzehnten nach USA exportierter siamesischer Raubwels, den eine kleine Universität an der Westküste aus Ziergründen eingeführt hatte und der inzwischen zu einer von der Polizei bekämpften Landplage wurde. Der rosafarbene Fisch, ursprünglich von den Yankees zärtlich Manig gerufen, entpuppte sich als so aggressiv, daß selbst die gefürchteten brasilianischen Piranhas vor ihm flüchteten und der eingeborene amerikanische Katzenwels ihm im Kampf unterlag. Zur Verblüffung der Einwohner machte sich das als modische Heimzier eingeführte Tier an regnerischen Tagen auf und überquerte – «Auftritt Manigs» – zu Hunderten die Straßen: zu Fuß. Niemand hatte gewußt, daß dieser Fisch laufen und atmen kann; er verließ zierliche Gartenbecken und Freiluftanlagen auf seinen Flossen und suchte sich Wege zu neuen Wasserläufen, bevorzugt solchen der Ansiedlungen von Farbigen. «Wo immer die Raubwelse auftauchen, vernichten sie praktisch alle anderen Fische, selbst die größten und wehrhaftesten», berichtet Professor W. R. Courtenay von der Universität Florida.
Lewitscharoff, das
Damenimitator. So tauften mit respektloser Ironie jüngere Wissenschaftler dieses Riesenkänguruh, weil auch das männliche Tier mit bemerkenswertem Hüftschwung andere Wildtiere wie Löwen anlocken kann. Dabei entkommt das oft 88 Stundenkilometer schnelle Beuteltier seinem Verfolger stets mit bis zu neun Meter weiten Sprüngen, ermüdet allerdings rasch, ist also ein Kurzstreckensieger. Seine Reichweite ist begrenzt, zumal das schwere und große Tier nicht hoch springen kann. In seinem Beutel birgt es eher kleinteilige Beute, die es auf erstaunliche Weise hübsch zu sortieren weiß und damit größere Fangqualitäten vortäuscht. Eingeborene, in Fachzeitschriften auch Juroren genannt, leben vom in diesen Kreisen beliebten Fleisch oder spinnen ihre Wolle aus dem Fell. Das wird in «Wild Life» als besonders langhaarig, derb und mal grau, mal braun charakterisiert. Als ungewöhnlich wird sein soziales Verhalten, vor allem in Gruppen, hervorgehoben; so gräbt das Makropus auch in der Paarungszeit nie einem Männchen das Wasser ab, sondern ernährt sich auch bei trockenem Futter vom Feuchtigkeitsgehalt des eigenen Körpers. Man nennt das auch das «Apostoloff»-Syndrom.
Maier, das
Rarität des ländlichen Lebens, wie sie wohl nur noch in Legenden vorkommt. Kreuzung aus dem stromlinienförmigen Yokohama-Huhn (das aus der gleichnamigen japanischen Hafenstadt nach Europa verschifft wurde) mit seinem fließenden Federkleid und dem holländischen Haubenhuhn, das vor dem eigenen kunstvollen Federbausch auf dem Kopf zu erschrecken scheint. Die Überlieferung der Zoologie ist widersprüchlich. Mal soll das prächtige Tier in der Wetterau, mal in der Nähe von Bad Nauheim gesichtet worden sein; mal heißt es in vermutlich aber fiktiven Berichten, es sei im Garten eines Steinmetzbetriebes gezüchtet worden, dann wieder soll es auf Wiesen unter den Apfelbäumen eines neu errichteten Hauses majestätisch pickend gesichtet worden sein. Kinder, denen abends wie aus einem Märchenbuch alte Urkunden vorgelesen werden, aber ohne «liebliche Anekdoten», haben den geheimnisvollen Vogel «Bergische Krähe» getauft.
Maron, der
Die Unze (Felis onza) wird der Jaguar
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