Bestien in der Finsternis
daß Lena und
Zenke zu Assmanns Fete gehen?“
„Absolut! Ich habe dreimal
gefragt. Nein, nicht Zenke. Bei Assmann habe ich mich erkundigt. Der meint
übrigens, mit meiner Einstellung zur Arbeit bliebe ich ewig nur Hilfsgärtner.
Aber er wird sich wundern, wenn ich ihm den Job vor die Füße werfe. Und das
mache ich, sobald wir Zenke ausgenommen haben.“
„Und wenn das auffällt?“
„Was soll auffallen? Ich werde
nicht mit Geld um mich werfen. Na ja, vielleicht mache ich noch ‘ne Weile
weiter. Zum Schein.“
„Mir gefällt die Arbeit im
Zoo“, grinste Rödl. „Wer kann schon von sich sagen, daß er jeden Tag
Elefantenkacke wegräumt!“
Sie lachten. Dann fragte
Patzke, wo die Schnapsflasche sei.
Als er sich den ersten Schluck
reinzog, verschüttete er etwas.
Schnaps tropfte auf seine
Gürtelschließe, den messingfarbenen Löwenkopf. Mit dem Ärmel polierte er das
dünne Metall.
14. In der Hitze der Nacht
Erst nach dem Abendessen fand
Tim Zeit, die Tageszeitung durchzublättern.
Zeitgeschichte und aktuelle
Ereignisse interessierten ihn brennend. Meistens holt er sich schon mittags die
neueste Presse aus dem Lesezimmer der Internatsschule.
Als er jetzt den Lokalteil
aufschlug, stieß er auf die Fotos von Schmuckstücken. Es handelte sich um jene,
die bei dem alten Goldmann gestohlen wurden.
Daß es 13 seien, hieß es im
begleitenden Text.
Das stimmte mit dem überein,
was Gaby berichtet hatte.
Freilich waren nur fünf
Pretiosen abgebildet: ein Diadem, zwei Ketten, eine mit vielen Diamanten
besetzte Brosche, und — die chilenische Göttin.
Auf dem Foto wirkte sie
mickrig. Man sah ihr nicht an, daß sie jahrhundertealt und aus purem Gold war.
„Als hätte jemand“, urteilte
Klößchen nach einem Blick, „der kein Talent zum Bildhauer hat, aus einer gelben
Rübe eine Puppe geschnitzelt. Na ja, wer’s mag.“
Tim legte die Zeitung beiseite.
Es war wieder mal heiß im ADLERNEST — trotz geöffneter Fenster.
Klößchen beobachtete gerade,
wie eine dicke Motte um die Hoflaterne schwirrte. Im nächsten Moment zuckte aus
der Dunkelheit eine Fledermaus herab. Im Flug wurde die Motte gepackt und
verspeist.
„Uih!“ meinte Klößchen. „Graf
Dracula frißt Motten. Und Keita frißt Kleintiere. Wir machen das gleiche mit
Kühen, Schweinen und Federvieh. Aber dann sagt man speisen. Weil das Fleisch
meistens auf Tellern liegt. Die Welt scheint so eingerichtet zu sein, daß der
eine den andern frißt.“
„Heb dir das auf für die
nächste Bio-Stunde“, meinte Tim und grübelte mit sehr engen Brauen. „Oder für Philosophie.
Mich beunruhigt im Moment die Ungerechtigkeit. Nicht die übliche, sondern
unsere spezielle.“
„Häh?“ fragte Klößchen.
„Oma Habrecht wurde bestohlen“,
Tim hob einen Finger. „Aber Zenke lacht sich ins Fäustchen.“ Er hob den zweiten
Finger. „Das können wir nicht hinnehmen. Also müssen wir am Feind bleiben.“ Er
hob den dritten Finger. „Ich weiß, wie.“
„Wie?“
„Sieh mal raus. Kein Stern am
Himmel. Nur Wolken. Dazu drückende Schwüle. Aber es soll nicht regnen, sondern
heute nacht so bleiben. Was machen Zenke und seine Lebensgefährtin in ihrer
Prachtvilla am Nesswangl-See? Sie fliehen der stickigen Hitze in den Räumen.
Denn wozu haben sie eine schöne Terrasse. Sie werden dort sitzen — bei
Windlicht und kühlem Wein, werden in die Nacht hinaus horchen, vielleicht auf
das Quaken der Frösche unten am See, werden sülzen und mit Behagen den
Brandgeruch vom Nachbarhaus aufnehmen.“
„Sehr anschaulich. Und weiter?“
„Ich sagte, sie sülzen. Aber
sie ahnen nicht, daß wir beide nur zwei Meter entfernt von der steinernen
Brüstung liegen — und jedes Wort hören.“
„Ich höre gar nichts“, gähnte
Klößchen, „denn ich liege nicht vor der steinernen Brüstung, sondern in meinem
Bett.“
„Red kein Blech! Du kommst mit.
Hol schon mal die Strickleiter vom Boden. Aber leg deinen Bademantel drüber —
falls dir der Kahl begegnet. Der hat heute nacht Dienst.“
Klößchen seufzte.
Zwei Minuten später war er mit
der Strickleiter zurück, ihrem bewährten Fluchthelfer.
Da das Haupthaus nachts
abgeschlossen ist, blieb ihnen nichts anderes übrig, als immer wieder darauf
zurückzugreifen. Assessor Kahl machte etwas früher als sonst seine Runde. Daß
er sich von seinem Bartgestrüpp trennen würde, stand fest. Aber er mußte den
Entschluß vor sich rechtfertigen. Deshalb sammelte er zur Zeit Stimmen — eine
Art
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