Bestien in der Finsternis
aufgeschlagen hatte. Aber das tat nichts
zur Sache.
„Jedenfalls brauchte ich keinen
Finger krumm zu machen“, grinste er. „Trotzdem liegt Schottloffs Bude in Schutt
und Asche. Jetzt wird er verkaufen. Assmann soll sich darum bemühen. Den
schiebe ich als Strohmann vor. Tja, und sobald das geklappt hat, können wir uns
ausdehnen.“
Sie nickte. Aber eigentlich war
ihr nicht nach Ausdehnen zumute. Wieso reichte das große Grundstück nicht aus?
Nun gut, sollte Albi seinen Willen haben.
„Schön, daß wir heute abend zur
Party gehen können“, sagte sie und trank ihr Glas aus.
„Wir werden meine Entlassung
feiern, meine moralische, charakterliche und menschliche Rechtfertigung. Gib
mir mal die Leberwurst.“
Nach längerem Schweigen schlug
er plötzlich mit der Faust auf den Tisch. „Diese Sau-Bälger.“
„Du meinst die vier Typen auf
den Rädern?“
„Abschießen könnte ich die.
Oder im See ertränken. Ich glaube, die sind auf meinen Kopf aus — nur weil ich
der alten Scharteke (miese Frau) das Geld abgenommen habe. Verstehst du
das?“
Lena sagte, sie verstünde das
nicht.
Das Geld, das Zenke gestohlen
hatte, befand sich in einem Bank-Schließfach. Lena hatte es auf ihren Namen
gemietet.
„Sag mal, Albi! Ist es möglich,
daß dieser Glockner hier mit ‘nem Durchsuchungsbefehl aufkreuzt?“
„Nee. Weshalb fragst du?“
„Der Goldmann-Schmuck liegt in
deinem Safe.“
„Da liegt er gut.“
„Vielleicht wäre es besser,
wenn wir ihn woanders lassen.“
Zenke überlegte. Aber es kam
nicht viel dabei raus. Er hatte schon zuviel Sekt getrunken. Außerdem war er
überheblich und auf dem Weg zum Größenwahn.
„Laß nur! Bei mir sind die
Pretiosen (Wertsachen) sicher. Sicherer als auf der Bank, hahahah.“
*
Schottloffs Haus stand in der
Amalien-Allee, war erstaunlich groß, alt und ein bißchen verwahrlost.
Sicherlich, dachte Tim, hat die
Hütte eine glanzvolle Vergangenheit. Aber Schottloff ist wohl kein Typ, der Neuwertiges
schätzt oder Altes repariert. Auch sein Auto wird vom Rost angenagt.
Eine hohe Hecke, die lange
keine Gartenschere gesehen hatte, umgab das Grundstück. Es verwilderte. Blumen
und Heckenrosen mischten sich mit Unkraut. Auf der Rückseite wuchsen ein paar
Birken.
„Paradiesisch!“ meinte Gaby.
Es war 14.58 Uhr, als die
TKKG-Freunde ihre Räder durch die geöffnete Einfahrt schoben.
Kaum daß sie geklingelt hatten,
öffnete Schottloff.
Er lächelte erfreut, trug Jeans
und ein weißes Sweat-Shirt, hatte keine Strümpfe an, aber ziemlich neue
Turnschuhe und hieß seine Gäste willkommen.
„Ich hoffe“, sagte Klößchen,
„Sie haben die Schlange an die Kette gelegt.“
„Sie befindet sich in ihrem
Terrarium“, nickte Schottloff. „Also keine Gefahr.“
„Dort ist sie doch immer?“
fragte Karl.
„Nicht immer. Aber kommt erst
mal rein.“
Durch den Vorraum führte er sie
in eine Art Wohnhalle.
Hier standen Möbel, die
spätestens um 1910 erbaut worden waren, aber immer noch hielten.
Nur zwei hohe Fenster,
rückseitig gelegen, ließen Licht herein — beziehungsweise nicht. Denn das Glas
war dunkelgrün — wie bei alten Flaschen — und in kleine bleigefaßte Flächen
aufgeteilt: Bleiglasfenster.
„Huch!“ sagte Gaby.
„Sagen Sie’s bitte, ob in
irgendeiner Ecke ein Gespenst herumsteht“, verlangte Tim.
Schottloff lachte. „Stört euch
nicht an dem Licht. Den Tee trinken wir auf der Terrasse. Dort ist es sonnig
und hell.“
„Licht?“ meinte Karl. „Hier ist
es ja grün und dunkel wie fünf Meter unter Wasser in einer bemoosten Bucht.“
Er hatte recht. Die Atmosphäre
war unheimlich.
Tims Blick war umhergewandert.
Trotz der Größe des Raumes
wirkte die Einrichtung überladen: zuviel alte, wuchtige Möbel, zuviel Samt und
Plüsch, zuviel schwere Vorhänge und Teppiche.
Trotzdem hatte er das große
Terrarium (Glasbehälter für Reptilien) sofort entdeckt. Es stand in
einer Ecke, halb versteckt hinter einem hochlehnigen Sessel.
Klößchen hätte hineingepaßt in
den gläsernen Kasten — für Tim wäre er zu kurz gewesen.
Schottloff hatte Tims Blick
aufgefangen und nickte.
„Dort ist Keita. Der Wächter
meines Hauses.“
Sie traten näher.
Das Terrarium war geschlossen.
Eine stabile Glasplatte deckte es ab.
Schottloff knipste eine
Wandlampe an. Jetzt reichte das Licht, um zu erkennen, was sich im Terrarium
befand.
Kies, Moos, Steine, Sand,
knorrige Wurzeln bildeten einen scheinbar natürlichen Boden.
Die Schlange
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