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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Rognall
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der Arzt ihr fast sehnsüchtig angekündigt hatte. Als sie durch den Flur ins Schlafzimmer wanderte, wurde ihr sogar ein wenig schwindelig. Sie hielt sich einen Moment lang am Türrahmen fest, dann kickte sie die hochhackigen Schuhe von ihren Füßen, verärgert über ihren Körper, der sie jetzt, da sie wieder allein war, im Stich lassen wollte.
    Erschöpft ließ sie sich auf ihr Bett fallen und schloss die Augen. In Gedanken sah sie wieder Lukas’ Gesicht über sich, seine tränennassen Augen und sein ungläubiges Lächeln, weil sie wieder aus eigener Kraft atmete.
    Als er später vor ihr auf der Straße gestanden hatte, war diese Verletzlichkeit aus seinen Zügen verschwunden. Trotzdem hatte Rosanna bemerkt, dass es Lukas eine gewisse Anstrengung gekostet hatte, sie von der Nutzlosigkeit ihres Unterfangens zu überzeugen. Wollte er insgeheim, dass sie ihn eines Besseren belehrte? Und hätte es sie nicht vielmehr beunruhigen müssen, wenn er ihr Angebot ohne Zögern begrüßt und in Anspruch genommen hätte?
    Draußen war es inzwischen so dunkel geworden, dass nur mehr der Schein einer entfernten Straßenlaterne das Zimmer erhellte. Rosanna knipste die Nachttischlampe an. Sie betrachtete den Bücherstapel daneben. Während sie darüber nachdachte, was sie davon bereits gelesen oder nach der Hälfte weggelegt hatte, schoss ihr durch den Kopf, dass Lukas keinen Ehering getragen hatte. Für dieses Detail hatte sie nach ihrer Scheidung einen Blick entwickelt. Nicht, dass ihr das irgendeinen Vorteil verschafft hätte. Vielmehr war es zu einem bloßen Reflex geworden, sich zu vergewissern, ob ein Mann vergeben war. Dass Lukas zumindest ungebunden genug lebte, um sich kein Symbol auf den Finger zu stecken, weckte bei Rosanna jedoch kein Interesse. Es passte bloß in das Bild, das sie sich bisher von ihm gemacht hatte. Jemand, der sich nicht scheute oder dem es sogar gefiel, andere Leute vor den Kopf zu stoßen, tat sich ganz bestimmt schwer darin, Beziehungen aufzubauen, geschweige denn zu erhalten. Vermutlich tröstete er sich damit, dass er klüger war als die anderen, wirklichkeitsnäher, allergisch gegen jene Augenwischerei, die sich andere gefallen ließen, um die unbequemen Wahrheiten des Lebens nicht sehen zu müssen. Insgeheim, da war Rosanna ganz sicher, bedauerte Lukas jedoch seine selbst verschuldete Einsamkeit, auch wenn er sie als selbst gewählt bezeichnen würde. Wahrscheinlich rechtfertigte er die Tatsache, dass er nur bei laufendem Fernseher einschlafen konnte, mit beruflicher Überlastung, anstatt zuzugeben, dass er sich nach dem Klang anderer Stimmen sehnte. Und die meisten Auseinandersetzungen, in die er verwickelt war, provozierte er garantiert, um wenigstens eine Spur jener Leidenschaft zu erleben, die in seinem Leben fehlte. So jemand, fand Rosanna, hatte wirklich dringend Hilfe nötig. Lukas konnte von Glück reden, dass sie niemand war, der leicht aufgab. Jedenfalls hatte Rosanna beschlossen, so jemand von nun an nicht mehr zu sein. Und allein das erfüllte sie bereits mit genug neuer Kraft, um weiter daran zu glauben, dass ihr Überleben kein Zufall gewesen sein konnte.

    Die Antilope hatte keine Chance. Die zwei vorgestreckten Pranken landeten auf ihrem Hinterteil und krallten sich fest. Ein Weglaufen war unmöglich. Ruhig, fast gedankenverloren schnappten die Kiefer des Löwen über dem Genick seiner Beute zu und schüttelten sie ein paarmal.
    Lukas blinzelte und stellte fest, dass er mal wieder vor laufendem Fernseher eingeschlafen war. Anstatt den Apparat auszuschalten, verfolgte er eine Zeit lang die Dokumentation über das Leben in der afrikanischen Steppe, welches anscheinend vor allem aus genüsslich zelebrierten Momenten der Qual be stand. Während Lukas darüber nachdachte, wer sich so etwas Ekelhaftes ansah, begann sein Magen zu knurren. Dann erinnerte er sich, dass er ein Tiefkühlgericht in den Backofen gelegt hatte.
    Erschrocken fuhr er hoch, als ein Blick auf seine Armbanduhr ihm sagte, dass es inzwischen zwei Stun den später war. Instinktiv sog er die Luft ein, in Erwartung dicken Rauchs, der aus dem Backofen der bestimmt längst verqualmten Küche wabern musste. Dass Lukas überhaupt nichts roch, lag daran, dass er vergessen hatte, den Herd einzuschalten. Und die ge frorene Pizza, die er zur Seite gelegt hatte, während er den Backofen vorheizen wollte, ließ sich nur noch mit labberiger Widerspenstigkeit aus der Schachtel ziehen, bevor sie Lukas aus der Hand glitt und mit der

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