Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Rognall
Vom Netzwerk:
belegten Seite nach unten auf dem Fußboden landete. Als er die Schachtel benutzen wollte, um die Pizza vom Boden zu lösen und in den Mülleimer zu befördern, fiel sein Blick auf die eingestanzten Nummern auf dem Pappkarton. Sie verwiesen auf ein Verfallsdatum, das bereits vor einem Jahr abgelaufen war. Lukas lächelte dünn. Das Schicksal meinte es wirklich gut mit ihm.

    Als Rosanna zur gleichen Zeit wie Lukas ihren Kühlschrank öffnete, empfing auch sie gähnende Leere. Im Gegensatz zu Lukas wollte sie sich darüber jedoch nicht ärgern. Vielmehr betrachtete sie es als willkommene Rechtfertigung, den Pizzaservice anzurufen. Fröhlich bestellte sie all das, was sie sich noch während ihrer Ehe, aber ganz bestimmt seit ihrer Scheidung versagt hatte, um ihr Gewicht zu halten. Angst, fett und damit in den Augen der modernen Welt automatisch unansehnlich zu werden, verspürte Rosanna nicht mehr. Sie wollte nicht ein mal ins Bad rennen, um Make-up und Frisur zu über prüfen, damit der Pizzabote bloß nicht den Eindruck bekäme, sie würde sich gehen lassen.
    Rosanna öffnete das Fenster und ließ die klare Abendluft herein, um sie gierig einzuatmen. War das vielleicht eine weitere Nebenwirkung ihres heutigen Erlebnisses? Dass ihr völlig egal war, was andere über sie dachten?
    Ihr Blick fiel auf das Display ihres Handys. Dort wurden fünf Nachrichten angezeigt, die im Verlauf des Tages eingegangen waren. Alle stammten von Kira. In ihrem typischen leiernden Tonfall erklärte sie, dass sie sich zunehmend Sorgen machte, weil Rosanna sich nicht meldete. Der Chef sei auch schon ganz nervös, und die Intriganten aus der Kaffeeküche verbreiteten voller Freude Gerüchte über eine vorzeitige Entlassung. »Langsam fällt’s mir echt nicht mehr so leicht, cool zu bleiben«, beendete Kira ihre letzte Nachricht, ohne sich irgendwie anders anzuhören als sonst. Auch ihre Erleichterung über Rosannas Rückruf sorgte für keine hörbare Gefühlsaufwallung, aber genau dafür hätte Rosanna ihre Freundin am liebsten fest umarmt – schließlich hatte sie heute schon genug durchgemacht und nicht mehr die Kraft, Empörung oder Hysterie einzudämmen. »Wahnsinn«, wiederholte Kira nur ab und an, während Rosanna ihr so knapp wie möglich den Grund für ihre Abwesenheit schilderte. Die Rolle, die Lukas dabei gespielt hatte, erwähnte Rosanna nicht, um Nachfragen zu vermeiden, auf die sie selbst erst einmal Antworten finden musste.
    Als Kira sich damit verabschiedete, dass sie sich dann ja morgen wiedersähen, zögerte Rosanna. Der Gedanke an ihren ungeliebten und heftig umkämpften Arbeitsplatz reizte einen instinktiven Fluchtre flex. Zu ihrer Erleichterung fand sie einen schnellen Ausweg. Nachdem der Sensenmann sie zwar kurz, aber sehr unsanft angerempelt hatte, besaß doch wohl niemand einen besseren Grund als sie, sich vorläufig krankzumelden.
    »Neid«, kommentierte Kira knapp.
    Beschwingt von der Aussicht auf ein paar weitere freie Tage, fühlte Rosanna sich sogar mutig genug, um mit dem Pizzakurier zu flirten. Dass dessen breites Grinsen mit ihrer zu eilig zugeknöpften und daher einen ungewollten Einblick gewährenden Bluse zusammenhing, bemerkte Rosanna erst später. Die Laune verdarb es ihr nicht.
    Während sie große, Käse ziehende Stücke von ihrer Pizza abbiss, schaltete sie das Radio ein und konnte ihr Glück nicht fassen. Eins ihrer Lieblingslieder hatte gerade angefangen: Toto’s »Make believe«. Natürlich sang sie lauthals mit.

    Lukas stöhnte schmerzerfüllt auf. Beim Versuch, den Sender zu wechseln, war er so ruckartig vorwärtsgeschnellt, dass er sein Schienbein kräftig am Tisch angeschlagen hatte. Verdammt, er konnte dieses Toto-Lied einfach nicht mehr hören. Früher hatten Jane und er es immer und immer wieder gespielt. Auf einer Party hatten sie sich dazu nämlich erstmals geküsst. Erst später war Lukas aufgefallen, dass es in »Make believe« um eine längst zerbrochene Liebesbeziehung ging. Jane hatte das nichts ausgemacht. Über Lukas’ Aberglauben hatte sie sich bloß amüsiert.
    Lukas stand auf und ging zum Radio. Er war zwar davon überzeugt, dass die Tränen in seinen Augen immer noch von seinem schmerzenden Schienbein stammten, drückte aber trotzdem auf die Taste für die Senderwahl, um Toto das Wort abzuschneiden. Nach einer Weile atmosphärischen Rauschens fand der automatische Suchlauf das nächste klare Signal.
    »So close … yet so far away«, sang eine melancholische Männerstimme.

Weitere Kostenlose Bücher