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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Rognall
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Und selbst wenn er sich diesmal dazu bekennen wollte, würde sein verbrauchter Körper wahrscheinlich die Notbremse ziehen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Lukas.
    »Ging mir nie besser«, fauchte Fritz. Er wusste nicht, wie lange er vor sich hin geschwiegen hatte. Einen Moment lang fragte er sich sogar, warum dieses gerahmte Foto auf seinem Schoß lag. Fritz räusperte sich und kratzte mit einem Fingernagel über einen auf seinem Pullover eingetrockneten Marmeladenfleck. »Scheiße«, sagte er.
    »Ich hol einen Lappen mit warmem Wasser.«
    »Wenn du dich auch noch um meine dreckigen Unterhosen kümmern möchtest …«
    Lukas zwinkerte ihm zu. »Später vielleicht.« Dann verließ er das Zimmer und trat auf den Altersheimflur hinaus.

    »Hi.«
    Lukas erstarrte. Der junge Mann mit der Umhängetasche schlenderte gemächlich auf ihn zu und schob dabei seine Sonnenbrille in die Haare zurück.
    »Dominik«, sagte er erklärend. »Aus der Redaktion?«
    Lukas musterte ihn ungläubig. »Was machen Sie hier?«
    Dominik lächelte. »Du kannst mich ruhig duzen.«
    »Was machen Sie hier?«, wiederholte Lukas demonstrativ, ohne Dominik damit abschrecken zu können.
    »Frau Adams hat gesagt, wenn ich dich zu Hause nich’ finde, sollte ich’s mal hier probieren.«
    »Und wieso?«
    »Weil sie sich Sorgen um dich macht?«
    »Verschwinden Sie«, knurrte Lukas und drehte sich um. Er betrat den Waschraum und zog ein Papierhandtuch aus dem Halter. Der war jedoch so prall gefüllt, dass das Tuch abriss. Wütend zupfte Lukas das nächste heraus, das aufgrund des Vorratsgewichts ebenfalls zerfetzte.
    »Du musst das mit Gefühl machen«, riet Dominik, der ihm unauffällig gefolgt war.
    Lukas fuhr herum. »Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe? Sie sollen verschwinden!«
    »Ich dachte, du meinst das nich’ so.«
    Lukas fluchte und zupfte nun mehrere Büschel Papiertücher aus dem Spender.
    »Bist du eigentlich freiwillig hier, soziales Engagement oder was?«
    Lukas antwortete nicht, befeuchtete die Papiertücher kurz unter dem Wasserhahn und drängte sich an Dominik vorbei.
    Als er den Flur hinuntermarschierte, war Dominik ihm bald wieder auf den Fersen.
    »Frau Adams sagt, ich könnte ’ne Menge von dir lernen.«
    »Wie wär’s mit Zuhören?«
    »Du bist komisch«, sagte Dominik.
    » GEHEN – SIE – WEG !«, schrie Lukas ihm ins Gesicht.
    Der junge Mann lächelte. Nicht beleidigt oder ent täuscht, sondern wie jemand, der die Sprache eines fremden Landes nicht beherrschte.
    Lukas seufzte und kehrte kopfschüttelnd in Fritz’ Zimmer zurück.
    »Was soll das denn werden?«, fragte Fritz, als Lukas sich ihm mit den feuchten Papiertüchern näherte. »Damit reibst du nur alles noch tiefer rein.«
    »Stimmt«, ertönte Dominiks Stimme.
    »Wer ist denn das?«, fragte Fritz.
    »Ich bin der Dominik«, antwortete Lukas’ Nervensäge. »Sind Sie der Opa?«
    »Der kleine Bruder«, erwiderte Fritz trocken.
    Lukas atmete tief ein und aus. Die Papierhandtücher hatten sich beim Reiben auf der dicken Wolle des Pullovers zerfranst und kleine, klebrige Rollen hinterlassen.
    »Die Situation hat sich nicht verbessert«, kommentierte Fritz.
    Dominik trat näher. »Soll ich mal?«
    »Jetzt hör gut zu«, fauchte Lukas ihn an. »Ich habe dir nichts beizubringen. Frau Adams muss sich um mich keine Sorgen machen. Und du bist hier nicht erwünscht. Verstehst du?«
    »Ist das normal?«, fragte Dominik und deutete auf Fritz.
    Der alte Mann rührte sich nicht mehr. Sein Kopf mit dem langen, schlohweißen Haar war auf seine Brust gesunken.
    »Fritz?« Lukas berührte ihn an der Schulter, rüttelte ihn ein wenig hin und her, aber der Neunundneunzigjährige öffnete seine Augen nicht.
    Mit verschränkten Armen beobachtete Dominik Lukas’ Bemühungen. »Der macht nur Spaß, oder?«, fragte er.

8
    Der Rettungswagen traf innerhalb weniger Minuten ein. In der Zwischenzeit war Fritz wieder zu Bewusstsein gekommen und hatte sich mit einer Kanonade von Schimpfwörtern darüber beschwert, dass Lukas ihn ins Krankenhaus befördern lassen wollte, aber die Rettungssanitäter hatten die Entscheidung bekräftigt. Lukas hatte sich bemüht, Ruhe zu bewahren, doch im Gegensatz zu Fritz’ unregelmäßigen, schwachem Puls begann sein eigener zu rasen. Dass Dominik nicht von seiner Seite wich, hatte Lukas beim Einsteigen in den Rettungswagen zwar wahrgenommen, aber nicht mehr unterbinden können. Die Angst, Fritz zu verlieren, war sogar stärker als seine Wut.

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