BETA (German Edition)
keine Führung, das Interface meines Chips visualisiert mir im Schnelldurchlauf alles, was ich über mein Zuhause wissen muss. Die Villa des Governor liegt am Rand der Steilküste, deren Felsen senkrecht zum Meer abfallen. Um den Blick auf die Weite des Ozeans genießen zu können, sind alle Zimmer der Familie mit vom Boden bis zur Decke reichenden Panoramafenstern ausgestattet. Auf ein prächtiges Foyer mit Marmorverkleidung und Kristalllüstern folgen die großzügig bemessenen Räume: luxuriös ausgestattete Schlafzimmer und Bäder, in heiteren, hellen Farbtönen gehaltene Wohnbereiche, eine Küche mit sämtlichen technischen Finessen, ein Massageraum und noch viele andere mehr. Und selbstverständlich verfügt die Villa auch über das brandneue Home Entertainment, mit dem alle Häuser in Demesne ausgestattet sind, die FantaSphere – eine Fantasy-Kampf- und Spielarena, in der man Sportarten wie virtuelles Rehbockschießen, Goldrausch oder auch Haifischjagd spielen kann. Außerdem spielen die Jugendlichen auf Demesne dort wie verrückt Z-Grav, wie Mutter mir erzählt hat, ein Schwerelosigkeitsspiel.
Die Villa des Governor wird mit Solarenergie und Klonenergie betrieben. Der Governor und seine Frau haben einen Butler bzw. eine Zofe, die ihnen alle Wünsche von den Augen ablesen, und verfügen außerdem über mehrere Zimmermädchen, einen Koch, mehrere Gärtner, eine Glamouresse für Mutter sowie die zwei Bodyguards. Der Bedarf an Fitnesstrainern, Physiotherapeuten und Bauarbeitern wird durch einen gemeinschaftlichen Pool an Klonen gedeckt, den sich die Bewohner von Demesne teilen. Diese Klone leben in Unterkünften auf dem Gelände des Heaven Country Club.
Als wir hineingehen, hält Mutter meine Hand. »Du bist der erste Klon in der Villa des Governor, der uns einfach nur Gesellschaft leisten soll, ohne weitere Aufgaben, und du bist das erste Beta-Modell in meinem Haus. Ich glaube, wir werden viel Spaß haben, dich auszuprobieren und zu sehen, was du alles kannst!«
Ivan, mein neuer Bruder, war in den letzten beiden Jahren in seiner Gewichtsklasse der Wrestlingchampion der Insel. Das teilt Mutter mir mit, nachdem er mich bei meiner Vorstellung gleich mit einem gezielten Griff auf den Boden geworfen hat. Ivan ist achtzehn, hat hellbraune, militärisch kurz geschnittene Haare, hellblaue Augen und die runden rosigen Wangen seiner Mutter, wodurch sein Gesicht fast weich wirkt – ein merkwürdiger Gegensatz zu seinem Körper.
»War nur Spaß«, sagt Ivan, als er sich wieder aufgerichtet hat. Er reicht mir die Hand, um mich hochzuziehen. »Wusste gar nicht, dass sie inzwischen auch Teen-Betas herstellen.«
»Mein Junge!«, sagt Mutter zu Ivan. »Jetzt hast du ein Mädchen in deinem Alter als Spielgefährtin. Nicht, dass du aus Versehen noch mal unserer kleinen zarten Liesel was zuleide tust.«
Die zarte kleine Liesel quietscht vor Vergnügen. »Wir haben eine Beta! Wir haben eine Beta!« Liesel ist ein dünnes zehnjähriges Mädchen, noch ein richtiges Kind, ohne die geringste Andeutung von Busen oder Hüfte. Ihre Haut schimmert genauso rosig wie die von Ivan und Mutter. »Kann ich ihr ihr Zimmer zeigen, Mommy? Bitte, bitte!«
»Nein«, sagt Mutter. »Dafür haben wir doch unsere Klone, Schätzchen. Sie sollen für uns die Arbeit tun.«
Mutter wendet sich an den weiblichen Klon, der hinter ihr steht. »Xanthe, bitte führen Sie die Beta in das Zimmer, in dem früher das Kindermädchen geschlafen hat, gleich neben Astrids Zimmer. Ich komme dann später nach.«
Xanthe, das Zimmermädchen, scheint in Menschenjahren gezählt knapp über zwanzig zu sein. Sie hat blasse, sehr helle Haut, schwarze Haare mit einem Pagenschnitt und schräg stehende fuchsiarote Augen. Ihr Ranking ist eine Stechpalme, die häusliches Glück symbolisiert. Ich folge ihr durch einen langen Flur mit Glaswänden, von denen man auf der einen Seite hinaus aufs Meer und auf der anderen Seite in einen üppig wuchernden Garten blicken kann.
»Was für ein hervorragend geführtes Haus«, sage ich zu ihr, um etwas Konversation zu betreiben und Xanthe ein Kompliment zu machen, weil sie ja ihre Arbeit gut zu machen scheint.
»Könnte es auch anders sein?«, fragt sie zurück.
»Keine Ahnung. Ich war hier noch in keiner anderen Villa.«
»Auf der Insel ist es überall so«, antwortet Xanthe. »Voller Schönheit und Harmonie.«
Mir ist das Zimmer zugewiesen worden, in dem früher das Kindermädchen schlief, direkt neben dem Schlafzimmer von Astrid,
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