BETA (German Edition)
die für den Reichtum und die Idylle ringsum unempfänglich sind. Der süße Luxus, in dem hier alle baden, ist wahrscheinlich so einschläfernd wie die Anästhesie-Spritze in meiner linken Gesichtshälfte, deren Wirkung allmählich nachlässt.
Ich erwache aus meinem Schlummer, meine Augen öffnen sich. Wir gleiten wieder in dem Luftmobil dahin. Jetzt erinnere ich mich. Anästhesie hält bei Klonen nicht lange an. Nachdem meine Mutter mich gekauft hatte, legten wir einen Zwischenstopp in ihrem Country Club ein – er trägt den Namen seines Orts: Heaven –, und in der Schönheitsklinik auf dem Gelände erhielt ich mein zweites Tattoo. Die Menschen hier nennen die Prozedur, bei der uns Klonen auf der linken Gesichtshälfte die Ranken einer Pflanze eingraviert werden, das ›Ranking‹; an der ausgewählten Pflanze ist für jeden sofort erkennbar, für welche Aufgaben wir von unseren Eigentümern eingesetzt werden. Mutters Bodyguards auf den Vordersitzen des LUV sind mit Kapuzinerkresse gerankt, deren schildförmige Blätter und leuchtende gelbe oder orange Blüten in der Symbolsprache von Demesne Eroberung und Sieg bedeuten.
Ich berühre die linke Hälfte meines Gesichts, fahre mit dem Finger von der Schläfe zum Wangenknochen. Im Fenster des LUV kann ich schwach mein Spiegelbild mit den spitz zulaufenden dunkelblauen Blütenblättern erkennen. Mein Ranking teilt jedem mit, dass ich als Teen-Beta das große Glück habe, für eine der höheren Aufgaben als Gesellschafterin auserwählt worden zu sein. Dr. Lusardi sagte mir vorher, dass ich einen hervorragenden Preis erzielen würde, und sie hatte damit recht. Ich spüre ein Kribbeln im Magen, prickelnde Erwartung. Ich kann es gar nicht erwarten, dass mein Abenteuer beginnt. Bald werde ich mein Zuhause sehen.
»Dein Ranking sieht wunderschön aus«, sagt Mutter mit ihrer kindlichen, sanften Stimme. »Sobald die Brandmale verblassen, wird es sogar noch schöner sein. Ich bin so froh, dass wir uns für Rittersporn statt für Chrysanthemen entschieden haben, mit dem die meisten Gesellschafterinnen gerankt sind. Was für eine hübsche Wahl. Das Blau und das Violett auf der anderen Seite ergänzen sich so wunderbar.«
Rittersporn symbolisiert leidenschaftliche Zuneigung . Mutter scheint mich absolut hinreißend zu finden. »Ich habe noch nie einen so zauberhaften Klon wie dich gesehen, Elysia. Und auf dieser Insel hier will das viel heißen. Ich bin glücklich, dass wir jetzt zu Hause ein so liebes neues Mädchen haben werden. Was für eine großartige Idee von Dr. Lusardi, eine Teen-Beta zu erschaffen. So jung und so rein! Deine arme First, so viel Schönheit, alles vergeudet. Ihre arme Mutter, die ihr Kind so früh verloren hat.« Sie seufzt. »Aber ich kann’s kaum erwarten, dich den anderen vorzuführen!«
Sie zieht mich an ihre Seite. Ich checke die angemessene Reaktion – meinen Kopf auf ihre Schulter legen –, was ich dann auch ausführe und woraufhin Mutter mir einen Kuss auf den Scheitel drückt. »Was für ein liebes, süßes Mädchen«, haucht sie. Wärme von Mutters Umarmung durchströmt meinen Körper. Ich bin für sie nicht nur eine Gesellschafterin, ich bin für sie eine Tochter, wie ihre wirkliche Tochter, die Astrid heißt. Mutter erzählt mir, dass sie von jetzt an für mich sorgen wird. Was für ein Glück ich doch habe!
Wie alle Villen auf Demesne ist auch das Haus des Governor, mein neues Heim, nicht nur ein Gebäude, sondern zugleich Kunst. Die Insel ist mit über hundert solcher Luxusresidenzen übersät, alle von demselben Architekten entworfen; alles ist aus Holz, Glas, Titan und Kupfer, und die vorherrschende Farbe ist Weiß. Wie geometrische Skulpturen liegen sie inmitten der Landschaft von Demesne, eine Mischung aus den Tempeln, die alte Zivilisationen für ihre Götter errichtet hatten, und modernen intergalaktischen Raumschiffen.
Wir sind bei der Villa des Governor angelangt. Das Luftmobil senkt sich auf den Landeplatz nieder, der dicht von den Blüten gesäumt ist, für die Demesne berühmt ist: die Champagnerkelche. Es sind Blumen, deren Form an Fackeln erinnert, mit langen, hoch aufgerichteten Stielen, an deren Enden sich golden glänzende Kelche öffnen. Schimmernd und funkelnd umringen sie den Landeplatz, als warteten lauter Champagnerflaschen darauf, geöffnet zu werden.
Als das Luftmobil zum Stillstand gekommen ist, tätschelt Mutter mir die Hand. »Willkommen in deinem neuen Zuhause, mein Herzchen«, säuselt sie.
Ich brauche
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