BETA (German Edition)
meiner neuen Schwester, die zum Studium weggegangen ist. Der Raum ist klein, aber funktional. Es gibt dort ein Bett, eine Kommode für Kleidung, einen Schreibtisch und ein Fenster mit Blick aufs Meer. Weil Astrid und ich dieselbe Kleidergröße haben, überreicht Mutter mir einen Karton mit Kleidungsstücken ihrer Tochter, damit ich fürs Erste eine Garderobe habe. »Astrid hat das meiste davon nie angehabt«, sagt Mutter. »Mit ihrer Figur hätte sie so wunderbar diese engen Jeans und knappen Tanktops tragen können, aber stattdessen lief sie immer nur in einem grässlichen Grunge-Look herum. So überhaupt nicht kleidsam! Diese Müllsäcke aus handgewebtem Hanf, die die Hippies auf dem Kontinent tragen. Unmöglich! Aber dir dürften all die hübschen Teile, die ich für meine modemufflige Tochter gekauft habe, perfekt passen.«
»Was soll ich anziehen?«
Mutter wirft einen Blick auf ihre diamantbesetzte Armbanduhr. »Die Kinder spielen um diese Zeit gern im Pool. Zieh am besten einen Bikini an und dann raus mit dir, vergnügt euch miteinander!«
Während ich mich im Badezimmer umziehe, höre ich, wie ein Mann Astrids Zimmer betritt. Mein Chip signalisiert mir, dass es sich um den Governor handelt. Er scheint nicht gerade erfreut darüber zu sein, dass ich von nun an zu seiner Familie gehören soll, und streitet sich lautstark mit seiner Frau.
»Ich habe dir klipp und klar gesagt, keine weiteren Klone mehr!«, fährt er sie an. »Und erst recht keine Teen-Beta! Was hast du dir dabei bloß gedacht? Der Vertrag mit dem Mainland erlaubt nur erwachsene Klone, und auch die würden sie uns nehmen, wenn sie könnten! Hast du daran gedacht, welcher Kritik du mich damit aussetzt? Mit diesem leichtsinnigen Kauf hast du dich mal wieder selbst übertroffen.«
Mutter klingt unbeeindruckt. »Jetzt mach dich nicht lächerlich. Elysia ist ein sanfter kleiner Engel. Sie wird dir gefallen.«
»Das hat damit doch gar nichts zu tun.«
»Ganz herzallerliebst. Eine Teen-Beta! Wir sind die Ersten, die eine besitzen! Ich musste sie einfach haben. Ich verspreche dir auch, dass ich jetzt damit aufhören werde.«
»Sie ist ein Teenager. Sie wird sich verwandeln und zum Monster werden.« Ich checke, was das bedeuten könnte, und erfahre, dass damit die Phase gemeint ist, in der es durch den rasant ansteigenden Hormonspiegel bei Jugendlichen manchmal dazu kommen kann, dass sie sich wild und unverschämt verhalten, sodass die Erwachsenen in ihrer Umgebung sie dann gern als Monster oder als verrückt bezeichnen. Allgemein gelte dieses Verhalten bei Teenagern jedoch durchaus ihrem Alter gemäß.
»Weiß man doch gar nicht.«
Ich aber schon. Ich werde nie ein schrecklicher Teen-Beta-Klon sein. Mein Chip wird dafür sorgen, dass ich immer ein nettes, braves Mädchen bin.
»Aber warum dieses Risiko eingehen?«, fragt der Governor.
»Wenn sie sich nicht gut macht, können wir sie immer noch zurückgeben«, sagt Mutter. »Reicht dir das nicht?«
Ich schwöre mir selbst, dass ich Mutter niemals einen Grund geben werde, mich zurückzugeben. Ich werde mich ihrer Entscheidung, mich zu kaufen und mich in ihr Haus und ihre Familie aufzunehmen, würdig erweisen.
»Ich meine es ernst«, sagt der Governor. »Keine solchen Impulskäufe mehr.«
»Versprochen«, sagt Mutter.
»Und ich verspreche dir, wenn hier was schiefgeht, dann wird dir auf dem Relay dein Kredit gesperrt.« Sein Tonfall wird neckisch. »Oder besser noch, ich reiße dir gleich den ganzen Chip heraus!«
Mutter lacht. »Ach, Governor, du immer mit deinen Scherzen.«
Viertes Kapitel
A ls ich auf die Terrasse mit dem Pool hinaustrete, ist die Reaktion meines neuen Bruders Ivan auf das Klonmädchen, das der Ersatz für seine Schwester ist und jetzt auch den Bikini seiner Schwester trägt, eindeutig: »Boah ey!« Zuerst glaube ich, dass er Unsinn redet, aber dann checke ich den Ausruf »Boah ey!« auf meiner Datenbank und lerne, dass achtzehnjährige menschliche Eingeborene auf der Insel das häufig sagen.
Ich verstehe jetzt, warum Astrid die Bikinis, die Mutter für sie gekauft hat, lieber nicht getragen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mädchen so etwas gern zum Schwimmen anzieht. Ein paar Schnüre, viel mehr ist es kaum. Man sollte dazu Lounge-Fummel sagen, etwas, das man zum Faulenzen anzieht, denn für einen Körper, der sich im Wasser richtig bewegen will, taugt dieses Teil bestimmt nicht.
»Ebenfalls boah ey, Ivan!«, sage ich.
Ich mustere die Aussicht.
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