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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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referieren. Manchmal sieht er sie sogar über die Wiese fahren, sagt er.
    Als ich zum ersten Mal ernsthaft unglücklich verliebt war, ist unser Vertrag in Kraft getreten und ich habe Matthes und Bernd befohlen, zu meiner persönlichen Erbauung ein schwules Coming-out zu inszenieren, obwohl bzw. gerade weil Matthes ganz sicher und Bernd mutmaßlich auch hetero ist. Eine Woche lang haben die beiden jeden Tag unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit auf dem Schulhof herumgeknutscht, bis sie zum Direktor gerufen wurden, der sie wegen Störung des Schulfriedens vom Unterricht suspendieren wollte, obwohl er immer wieder betonte, dass er persönlich weiß Gott nichts gegen Homosexualität einzuwenden habe.
    Das hat Matthes ihm aber nicht geglaubt, und statt der Knutscherei veranstaltete er ein schwul-lesbisches Protestlager auf dem Schulhof, an dem erst nur ein paar Oberstufen-Schüler, dann aber überraschenderweise irgendwann auch unser Sportlehrer teilnahmen, der doch viel weniger verheiratet war, als er immer behauptet hatte.
    Die Lokalzeitung angerufen hat Matthes damals aber nicht, beteuert er bis heute. Fakt ist allerdings, dass jemand sie angerufen hat, und auf dem Foto sieht man Matthes, wie er hochzufrieden beide Daumen hochreckt, unseren Sportlehrer, der befreit in die Kamera lächelt, weil er endlich mit sich im Reinen ist, und Bernd, der sich ein Physikbuch vor das Gesicht hält.
    Der Direktor musste eine Erklärung abgeben, in der er sich von jeglicher sexueller Diskriminierung distanziert, aber ein Jahr später hat der Sportlehrer den Dienst quittiert und Matthes seine Zulassung für das Abitur nicht geschafft, wobei man sagen muss, dass Matthes es auch ohne den Direktor nicht geschafft hätte, weil er zu dieser Zeit schon gar nicht mehr hingegangen ist.
    Eine Woche später hat trotzdem jemand das Auto des Direktors angezündet, und damit war auch Matthes’ Wunsch erfüllt.
    Danach ist das Vertragswerk in Vergessenheit geraten, aber jetzt, ein halbes Jahr nach unserem Abitur, hat Bernd es wieder herausgekramt. Und weil es immer noch gilt, fahren wir gemeinsam zu einem Fachgeschäft für Karnevalsbedarf, um Clownskostüme zu kaufen.
    Schon vor einigen Wochen, als klar war, dass sein Vater sterben würde, hatte Bernd diese Idee geäußert, aber wir sind nicht darauf eingegangen. Wir hatten gehofft, dass es ein Witz war oder dass er es wenigstens wieder vergisst. Bernd will nämlich ein Clownskostüm zur Beerdigung seines Vaters anziehen, und wenn man ihn fragt: »Bernd, warum zum Henker willst du das tun?«, zuckt er mit den Schultern und sagt: »Weiß nicht, ich denke einfach, das würde passen.«
    Mehr sagt er nicht dazu und redet dann lieber wieder über Sachthemen. Eigentlich weiß ich überhaupt nichts über Bernd und seine Familie, er sagt ja nie etwas. Aber wenn jemand zur Beerdigung des eigenen Vaters im Clownskostüm auftauchen will, ist das ja auch eine Aussage.
    Mir wird ziemlich schlecht von dieser Aussage, zumal Bernd sich in den Kopf gesetzt hat, uns als Clownreserve in die Schlacht zu werfen, falls es zu Ausschreitungen kommt. Er habe nämlich zwei Cousins, die ihn hassen, erzählt er, und deswegen wäre es unklug, die Sache alleine durchzuziehen. Wir dürfen uns zwar im Hintergrund halten, müssen ihn aber raushauen, falls es ernst wird.
    Das müsst ihr für mich machen, das habe ich mir vertraglich zusichern lassen, sagt Bernd, grinst und sieht ganz fürchterlich dabei aus. Während er vor dem Spiegel steht und grüne Perücken anprobiert, nimmt mich Matthes zur Seite.
    »Das können wir nicht bringen«, sagt er. »Das ist immerhin sein Vater.«
    Matthes ist ehrlich entsetzt und hat natürlich Recht. Dabei dachte ich immer, dass er der Verrücktere von beiden sei.
    Und als Matthes und ich zuschauen, wie Bernd sich eine Pappnase aufsetzt, wie seine Hände dabei zittern, wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht gewichen ist, wie er sich selbst zum dämlichsten aller Klischees macht und wie er dann schließlich krumm und kaputt als trauriger Clown vor uns steht und seinem Spiegelbild die Zähne fletscht, als wolle er es vertreiben, ist es wiederum Tante Matthes, der endlich sagt: »Das reicht jetzt.«
    Bernd starrt uns verständnislos an, aber wir packen ihn an den Armen und schleifen ihn aus dem Laden.
    Der Mann vom Wachschutz will uns aufhalten, weil Bernd sich wehrt, aber als er sich den völlig verschwitzten und ziemlich kraftlos um sich schlagenden Typen zwischen uns genauer ansieht, will er

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