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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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Lebenszeit und einem Promenadenfest pro Jahr noch zustünde, und Horsti ist jedes Mal ehrlich empört. Das sei doch sein Geld, findet er, das könne man ihm doch nicht vorenthalten, bloß weil er sich zwischendurch mal umbringt – und deswegen tut er es dann auch nicht. Den Abschiedsbrief schreiben wir aber trotzdem immer zu Ende.
    Ich habe mittlerweile eine kleine Sammlung. Mein Lieblingsbrief lautet: »Ich will sterben, weil es am Mittwoch kein Gulasch gab.« Ich habe aber auch einen, in dem steht: »Ich will sterben, weil mein Gehirn nicht funktioniert.« An diesem Tag hatte Horsti das Flippers-Repertoire zweimal singen müssen, bis es wieder ging.
    »O. k. Er ist Käpt’n Horsti«, sage ich.
    »Natürlich ist er das.«, grinst Matthes. »Wer denn sonst?«
    Ich lese weiter.
    »Käpt’n Horsti singt gern Schlager und fährt mit dem Mofa durch die Nacht.« Das stimmt zwar endlich, aber das mit dem Mofa müssen wir schon wieder streichen, weil Horsti keinen Führerschein hat. Und je weniger Leute wissen, dass er sich von dem alten Knacker am Büdchen immer wieder das Mofa leiht, desto besser.
    Als ich nach einer weniger kriminalisierenden Formulierung suche, fällt mir das Foto neben der Biografie auf, unter dem »Horst Seelbrecht« steht.
    »Das ist David Hasselhoff«, sage ich, aber Matthes zuckt mit den Schultern.
    »Ich bin nur der Agent, in die Kunst mische ich mich nicht ein«, sagt er. »Das entscheidet mein Klient autonom.«
    »Es ist unser Klient«, sage ich, schließlich haben wir die Agentur zusammen gegründet, aber bloß, weil wir sonst die 500 Mark nicht bekommen hätten.
    Die Frau vom Kulturamt hat gemeint, es reicht nicht, wenn ich den Förderungsbedarf für Horstis Ausstellung bloß unter meinem Namen anmelde, da müsse schon eine Institution hinter stehen. Da haben wir eben eine gegründet.
    Unsere Agentur heißt »retart« – mit t hinten, weil es ein Wortspiel ist – und promotet Künstler mit geistiger Behinderung. Der Name ist natürlich ganz schön provokant, aber Matthes hat gemeint, dass man ohne Provokation im Kunstbetrieb heute gar nicht gehört würde, und Musa hat ihm zugestimmt. »Alles Arschlöcher, der Kunstbetrieb«, hat er gemeint, und Musa muss es ja wissen, so schlecht, wie sich seine Bilder verkaufen.
    Noch ist Käpt’n Horsti der einzige Künstler, den wir vertreten, aber das wird schon noch, die malen eigentlich alle ganz gern. Bis jetzt läuft es super, wir haben schon 500 Mark verdient, ohne was dafür tun zu müssen. Das ist mir das letzte Mal bei meiner Konfirmation gelungen.
    Allerdings ist das Geld quasi schon wieder weg. Aber so ist das als Geschäftsmann, man muss Geld ausgeben, um welches zu verdienen. 100 Mark bekommt Musa, weil er uns die Ausstellung in seinem Atelier machen lässt, für 100 Mark haben wir beim Aldi Dosenbier und Sekt gekauft, weil es eine schöne Vernissage werden soll, für weitere 150 Mark haben wir Horsti einen Anzug gekauft, weil er sonst nicht mitmachen wollte, und für das restliche Geld haben wir eine Band engagiert. Sie besteht aus Tante Matthes und mir und heißt auch »retart«. Das ist nämlich das Gute, wir mussten nicht mal neue Visitenkarten für die Agentur drucken lassen. Wir haben noch tierisch viele von unserer alten Band, die hat nämlich nie jemand fördern wollen.
    Der Klient lässt derweil Kotzgeräusche aus Musas Klo hören. Horsti hat vorhin am Büdchen dreimal große Pommes mit extra Mayo und zwei Schaschlik gegessen, die Tante Matthes von meinem Geld bezahlt hat, weil das Geschäftsvermögen ja schon aufgebraucht war. »Spesen«, sagt Matthes. »Du hast vergessen, Spesen einzuberechnen«, und klärt mich nochmal über die Arbeitsteilung auf:
    »Das Kaufmännische ist eher nicht so mein Ding. Ich mach lieber das Persönliche. Ich sorge dafür, dass es unserem Künstler gutgeht.«
    »Der Künstler kotzt«, erwähne ich, aber das hätte man auch so gehört. »Weil ihn jemand zu viel hat fressen lassen.«
    »Es hat ihm aber geschmeckt«, verteidigt sich Matthes. »Außerdem entscheidet mein Klient autonom, was er isst.«
    »Aber nicht am Büdchen vom alten Knacker, da ist eine große Pommes mit extra Mayo das Äußerste, was man überhaupt aushalten kann.«
    »Weil das Fett in der Fritteuse genauso alt ist wie er selber«, mischt sich Musa ein, der ist auch häufiger da, trinkt aber klugerweise bloß Schnaps dort. »Ich habe übrigens in der Zwischenzeit eure Bilder aufgehängt.«
    Er macht das Licht aus und stöpselt

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