Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
erwerben, auf dass es heute mein Wohnzimmer ziere und zu allerlei heiteren Gesprächen Anlass biete. Aber noch sprinte ich quiekend durch den Raum, so als ob es die Redensart »wie eine gesengte Sau« möglichst naturalistisch darzustellen gelte. So lautet übrigens auch der Titel des Bildes, das heute eine Menge Geld wert wäre, wenn sich der Grunzer bloß zu dem Werk bekennen würde. Er ist nämlich mittlerweile ziemlich berühmt, macht aber bloß noch Installationen, die ich nicht verstehe, aber Schwamm drüber, dafür schreibe ich Texte, die er nicht lustig finden würde.
Nachdem sich jedenfalls der Bademantel aus hochwertigem Polyester in einer hochwertigen Stichflamme verflüchtigt und auf mir eine Brandblase hinterlassen hat, greift das Feuer nun auf die Kohleskizzen an der Wand über. Die brennen sehr gut, weil sie mit Haarspray fixiert sind.
»Alle raus«, brüllt Musa al-Shukri. Der kleine, rundliche Mann hat sich mit einem Feuerlöscher bewaffnet und vor seinem Mongolenbild Aufstellung bezogen, bereit, sein Werk bis zum Äußersten zu verteidigen. Im ersten Moment hatte ich ihn für einen der dargestellten Verteidiger Bagdads gehalten, aber Musa geht ohne Umschweife zum Angriff über, während seine Schüler ungeordnet den Raum verlassen und der Grunzer fieberhaft weiterkritzelt.
Ich jedoch brauche dringend Kühlung, lasse mich rücklings in einen Bottich fallen, in dem die Gerätschaften des Vorgängerkurses »Holz- und Linolschnitt für Anfänger« gewässert werden, und verfärbe mich wegen der künstlerischen Vorgaben des Kursleiters augenblicklich grün. Dann stolpere auch ich endlich ins Freie.
Dort zeigt man sich besorgt um mich, die drei Weißhaarigen überzeugen sich akribisch von meiner relativen Unversehrtheit und auch das Feuer ist schnell gelöscht. Der Sachschaden ist gering, ich werde lediglich bis zum Ende des Jahres kostenlos Modell stehen müssen und die Sache ist für ihn erledigt, aber das wird Musa mir erst am nächsten Tag eröffnen.
Kleidung wird mir angeboten, die ich aber ablehne, zunächst wegen des Schocks, dann, weil die Septemberbrise angenehm frisch um meine gerötete Haut wedelt, und zuletzt, weil ich es der skeptischen Palme, dem Bonobo und überhaupt allen gezeigt habe.
Der Grunzer stürmt als Letzter aus dem Gebäude, umarmt mich, nennt mich eine Inspiration und zeigt seine Skizze herum. »Sie ist gut«, sagt Musa. »Sie hat irgendwie … Feuer.« Ich fühle mich unerklärlicherweise auch gut.
Ich stehe unbekleidet und ab Gürtellinie grün eingefärbt sowie mit leicht verbranntem Arsch inmitten einer Meute mir gänzlich unbekannter Menschen und fühle mich gut wie lange nicht mehr.
»Das Glück ist ein seltsamer Kollege«, sage ich, und weil ich ausnahmsweise Recht habe, schickt der seltsame Kollege auch noch Marie vorbei. Sie wollte Matthes abholen und findet stattdessen mich vor: nackend und seltsam eingefärbt wie ein indischer Heiliger nach dem Holi-Fest in der Mitte einer angeregt diskutierenden Schar Jünger, während sich die letzten Rauchschwaden über unseren Köpfen verziehen.
»Was macht ihr da?«, fragt sie ungläubig.
»Performancekunst«, sage ich, und meine neuen Freunde, die Überlebenden der großen Feuersbrunst, nicken pflichtschuldigst.
Wow, sagt Marie, ich gucke bedeutend.
Man kann sagen, was man will. Neben einigen anderen Sachen ist in der Tat auch ein Eindruck geschunden worden.
11 Wir sitzen in Günthers Zimmer und spielen uns gegenseitig unsere Lieblingskassetten vor. Auf meiner ist Musik drauf, bei Günther ist nichts drauf. Er hört am liebsten Leerkassetten.
Wenn Günther keine Leerkassetten hört, zeichnet er. Er fängt immer links unten in der Ecke mit krakeligen kleinen Strichen an und arbeitet sich langsam über das Blatt, bis es schließlich aussieht wie der Getränke-Deckel des gesamten Oktoberfestes. Dann hängt er es zu den anderen an die Wand, und deswegen wirkt sein Zimmer ein bisschen wie die Zelle eines Lebenslänglichen, der Sekunden statt Tage zählt. Dabei geht es Günther gut, zumindest lächelt er den ganzen Tag.
Die Psychologin sagt, dass sich Günther eher für den motorischen Vorgang des Malens interessiere und weniger für das Ergebnis, aber sie sagt ja auch, dass Günther über die kognitiven Fähigkeiten eines Vierjährigen verfüge, was Quatsch ist, weil Günther ganz klar ein Außerirdischer ist. Das gibt er sogar zu, wenn man ihn fragt. Er nickt dann und lächelt.
Man kann es auch gut beobachten, wenn
Weitere Kostenlose Bücher