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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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bloß die Treppe runterjetragen«, verteidigt sich Malschowski, aber der gewiefte Populist Thelmann macht ihn jetzt persönlich für Schießbefehl und Stalinismus verantwortlich.
    Immer enger schließt sich der Kreis der Grauköpfe um die beiden Rekruten, bis Pinscher den Rückzug einleitet.
    Der letzte Popper hilft mir samt Rollstuhl auf, drückt mir einen Zehnmarkschein in die Hand, den er keine Viertelstunde später zurückfordern wird, klopft mir auf die Schulter und sagt so laut, dass es alle hören können: »Aber nicht für Schnaps ausgeben, junger Mann!«

9 Heute steht mein erster Ausflug an und alle Bewohner müssen mit. Sogar Günther. Wenn neue Zivildienstleistende an Bord gekommen sind, wird gemeinschaftlich in den Zoo gegangen. Die Chefin besteht darauf und duldet keine Widerrede.
    »Einmal im Jahr«, hat sie zu Günther gesagt, »einmal im Jahr wirst du das aushalten können.«
    Günther hat genickt und sie dabei so herzerweichend angeschaut, dass sie ihn in den Arm nehmen musste.
    Sie war ein bisschen verlegen, als ich ins Wohnzimmer gekommen bin, weil sie mir gegenüber als professionelle Sozialmanagerin und nicht als Ersatzmutti auftreten will und jetzt Günther abknutschte wie einen Fünfjährigen. »Das sind erwachsene Menschen«, hatte sie mir am Vortag noch erklärt, »mit ihren Rechten und Pflichten. Und ihrer Würde.«
    Nicht dass Günther unglücklich ausgesehen hätte. Im Gegenteil. Günther mag Liebe. Notfalls auch welche von Menschen.
    Vier Stunden später stehe ich mit meiner Kleingruppe vor der riesigen Tafel mit dem Wegeplan und erkläre unsere Wanderroute, die wir uns für die nächsten zweieinhalb Stunden vorgenommen haben, damit wir möglichst alle Tiere sehen können. Mehr Zeit haben wir nicht mehr für den Zoobesuch, weil wir Günther beim Umsteigen auf der Herfahrt versehentlich vergessen haben. Er war still und heimlich im Zug sitzengeblieben und ich musste ihn mit dem Taxi an der Endhaltestelle abholen. Dort fand ich ihn auf dem Gepäckträger eines Mofas, dessen Besitzer ihn immer wieder um eine nahegelegene Verkehrsinsel karriolte, während seine Kumpels die beiden dabei anfeuerten.
    »Er wollte das so«, erklärte mir einer von ihnen, und Günther sah tatsächlich hochzufrieden und irgendwie verändert aus. Aber das lag daran, dass er Lipgloss aufgelegt hatte, außerdem zog er eine Spur von süßlichem Kleinmädchenparfüm hinter sich her.
    »Das hat er sich gewünscht«, behauptete ein giggelndes Ding mit Zahnspange, das zweifelsfrei als Spenderin auszumachen war. »Er ist voll süß«, sagte das Ding und guckte das rasende Osterei verzückt an. Günthern eignet tatsächlich eine gewisse Puppenhaftigkeit. Er ist ein sehr kleiner, rundlicher Mann mit zartgliedrigen Händen und feinen Gesichtszügen, der zudem über die Gelassenheit eines Yogi kurz vor Eintritt ins Nirvana verfügt. Kurz gesagt: Günthern ist vollkommen schnuppe, was mit seiner leiblichen Hülle veranstaltet wird; schon deswegen wird er gerne mal im Zug vergessen oder mit einem sehr gutmütigen Haustier verwechselt.
    Aber wenn man ihn sich genauer anschaut, wie er sich ebenso gleichmütig wie rätselhaft lächelnd von lärmenden Heranwachsenden im Kreis herumfahren lässt, wirkt es, als habe er diesen ganzen Zinnober absichtlich veranstaltet und verfolge damit irgendeinen kosmischen Plan, für den wir als Normalsterbliche zu blöd sind. Aber das könnte auch bloß eine Theorie sein, die mir mein schlechtes Gewissen souffliert hat, weil ich es war, der ihn beim Umsteigen hätte mitnehmen müssen. Immerhin schien sich Günther prächtig zu amüsieren, sogar die Mofajungs fanden ihn cool und haben gefragt, ob sie ihn behalten dürften.
    »Ich habe ihm sogar Snickers aus dem Kiosk geklaut, dafür krieg ich noch Geld von dir«, behauptete der Anführer, als er sein Gefährt zum Stehen gebracht hatte, worauf Günther aber sofort abgestiegen und grußlos Richtung Haltestelle gewackelt war.
    »Tja«, sagte ich, »vielen Dank. Aber wie ihr seht, müssen wir jetzt gehen.« Und dann ließen wir die Jugendlichen stehen.
    In der Bahn wurden wir von den Passanten mit leisem Argwohn beobachtet, weil Günther seine Schminke zwar mittlerweile am Pullover abgewischt, aber unverändert penetrant nach diesem Maiglöckchen-Gummibärchen-Gemisch gerochen hat.
    Im Zoo waren die Bewohner schon in Kleingruppen aufgeteilt worden und ich bekam, was übrig war. Solche Aufteilungen laufen wie die Wahlen zur Fußballmannschaft in der

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