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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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Methode. Fotos von Menschen wurden mit Hilfe des Computers entweder um 20 Prozent in Richtung eines attraktiveren Gesichts verfremdet (das heißt in Richtung des Durchschnittswertes von 15 Gesichtern, die unter einer Stichprobe von insgesamt 60 Aufnahmen als besonders attraktiv beurteilt wurden), oder aber um 20 Prozent weniger attraktiv gemacht (also verändert in Richtung des verzerrten Gesichts von Menschen mit kraniofazialem Syndrom). Soll eine Versuchsperson nun ihr wahres Gesicht, sowie das um 20 Prozent geschönte bzw. das um 20 Prozent verzerrte lokalisieren, die jeweils zwischen elf Gesichtern anderer Menschen eingebettet sind, wird das geschönte Gesicht am schnellsten erkannt ( 1 , 86 Sekunden), beim echten Gesicht dauert es um fünf Prozent länger ( 2 , 08 Sekunden), und bei dem hässlichen Gesicht kommen noch einmal fünf Prozent hinzu ( 2 , 16 Sekunden). Bemerkenswert an diesem Versuch ist die Tatsache, dass nicht der übliche verbale Filter vorgeschaltet ist – was hältst du von dir selbst? –, sondern dass die Wahrnehmungsgeschwindigkeit den einzigen Maßstab darstellt. Zeigt man Menschen eine ganze Reihe von Fotos ihrer selbst, die von 50 Prozent höherer bis zu 50 Prozent geringerer Attraktivität reicht, nennen sie das um 20 Prozent geschönte Foto als ihre Lieblingsaufnahme, die ihnen nach eigener Einschätzung am stärksten ähnelt. Dies ist ein wichtiger allgemeiner Befund: Selbsttäuschung hat ihre Grenzen – ein um 30 Prozent verbessertes Aussehen ist nicht mehr glaubwürdig, und bei einer Verbesserung um nur zehn Prozent wird der Vorteil nicht vollständig ausgeschöpft.
    Ich selbst brauche solche Befunde eigentlich kaum, um mich zu überzeugen, denn ich erlebe diesen Effekt nahezu jede Woche. Ich gehe mit einer jüngeren, attraktiven Frau die Straße entlang und versuche sie so gut bei Stimmung zu halten, dass sie mir gestattet, in ihrer Nähe zu bleiben. Dann sehe ich auf der anderen Seite neben ihr einen alten Mann mit weißen Haaren, einem hässlichen, mitgenommenen Gesicht und schleichendem, sogar taumelndem Gang, der aber mit uns Schritt hält – es ist mein Spiegelbild in den Schaufensterscheiben. Das wahre Ich wird vom sich selbst täuschenden Ich als hässlich empfunden.
    Ist die Neigung, sich selbst aufzuplustern, unter den Menschen tatsächlich allgemein verbreitet? In manchen Kulturen, beispielsweise in Japan und China, stellt Bescheidenheit einen hohen Wert dar; wenn überhaupt, würde man also erwarten, dass die Menschen dort um eine möglichst geringe Selbstaufplusterung wetteifern. 12 In manchen Bereichen herrscht sicher Bescheidenheit, ganz allgemein sieht es aber so aus, als könne man auch hier eine Neigung zur Selbstaufplusterung entdecken, insbesondere was die Einstufung der eigenen Person und anderer im Spektrum zwischen Gut und Schlecht betrifft. Ebenso wird das Aufplustern wie in anderen Kulturen häufig auf Freunde angewandt: Man hält sie für besser als den Durchschnitt (in manchen Kulturen allerdings nicht in dem Maß wie das eigene Ich, in anderen dagegen stärker).
    In jüngster Zeit hat man übrigens ein Gehirnareal ausfindig gemacht, in dem diese Form der Selbstaufplusterung stattfinden könnte. In früheren Arbeiten hatte man bereits gezeigt, dass eine Region, die als mittlerer präfrontaler Cortex ( MPFC ) bezeichnet wird, offenbar häufig an der Verarbeitung von Informationen über das eigene Ich mitwirkt. Hier werden sogar falsche Ich-Empfindungen aufgezeichnet, und die Region ist ganz allgemein auch an der Täuschung anderer beteiligt. Man kann die Neuronenaktivität in dieser Region unterdrücken (dazu lässt man an der Stelle, an der die Gehirnaktivität stattfindet, eine magnetische Kraft auf den Schädel einwirken) und damit die Neigung einer Person zur Selbstaufplusterung beseitigen (während die Unterdrückung der Aktivität in anderen Regionen keine Wirkung hat).
    In extremer Form findet man die Selbstverherrlichung bei den sogenannten Narzissten. Zwar überschätzen Menschen sich generell, Narzissten halten sich aber für ganz besondere, einzigartige Menschen, die im Leben einen höheren Anspruch auf Erfolge haben als andere. Ihr Selbstbild im Hinblick auf Dominanz und Macht ist gut (nicht aber was Fürsorge oder Moral angeht). Deshalb orientieren sie sich besonders in Richtung einer hohen Stellung und suchen sich Menschen von vermeintlich ebenfalls höherer Position. Auch wenn Menschen generell ein übermäßiges Vertrauen in den

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