Betrug und Selbstbetrug
gesetzt, die häufig ganz unbewusst ein schlechteres Bild von dieser Person im Vergleich zu den Gruppenmitgliedern zeichnen. Die Wörter »wir »und »sie« haben starke unbewusste Auswirkungen auf unser Denken. 14 Selbst unsinnige Silben (beispielsweise »yaf«, »laj« oder »wuhz«), die mit »uns«, »wir« und »unser« kombiniert werden, bevorzugen wir gegenüber ähnlichen Silben, die mit »sie«, »ihnen« und »ihr« verbunden sind. Diese Mechanismen funktionieren auch in künstlichen, experimentell erzeugten Gruppen, denen die Leute willkürlich – etwa aufgrund ihrer Hemdfarbe – zugeordnet werden. Bei Personen, die nicht zur Gruppe gehören, verallgemeinern wir sehr leicht schlechte Eigenschaften, während wir allgemeine Aussagen über gute Eigenschaften für die Gruppenmitglieder reservieren. Tritt mir beispielsweise ein Außenstehender auf die Zehen, sage ich schneller, »er ist ein rücksichtsloser Mensch«, bei einem Mitglied der Gruppe dagegen beschreibe ich das Verhalten genau: »Er ist mir auf die Zehen getreten.« Verhält sich dagegen ein Außenstehender freundlich, wird dies genau beschrieben – »sie hat mir den Weg zum Bahnhof gezeigt« –, ein Gruppenmitglied dagegen wird einfach als »hilfsbereit« bezeichnet. Ähnliche geistige Abläufe dienen auch dazu, andere im Vergleich mit einem selbst verächtlich zu machen. Selbst geringfügige positive zwischenmenschliche Eigenschaften, beispielsweise ein Lächeln, werden Gruppenmitgliedern unbewusst häufiger zugeschrieben als Personen, die nicht zur Gruppe gehören.
Diese Voreingenommenheit setzt bereits bei Säuglingen und Kleinkindern ein. Sie teilen andere auf der Grundlage von ethnischer Zugehörigkeit, Attraktivität, Muttersprache und Geschlecht in verschiedene Gruppen ein. Dreijährige spielen bevorzugt mit Angehörigen ihrer eigenen Gruppe und äußern verbal ausdrücklich eine negative Einstellung gegenüber Außenstehenden. Außerdem neigen sie wie Erwachsene stark zur Bevorzugung von Gruppen, denen sie nach dem Zufallsprinzip zugeordnet wurden; sie glauben, ihre eigene Gruppe sei anderen überlegen, und verhalten sich verletzend gegenüber Personen, die nicht zur Gruppe gehören.
Forschungsarbeiten aus jüngerer Zeit zeigen, dass Affen eine ähnliche geistige Architektur im Hinblick auf Gruppenmitglieder und Außenstehende aufweisen. 15 Legt man einem Affen im Test je zwei Fotos mit dem Gesicht eines Gruppenmitglieds und eines Außenstehenden vor (unterschieden nach dem Grad an Vertrautheit bzw. Erfahrung, die er mit ihnen hat), dann neigt er eindeutig dazu, das Bild des Außenstehenden länger zu betrachten – was ein Maß für Besorgnis und Feindschaft ist. Ebenso verbindet ein Affe einen Gegenstand, den ein Außenstehender betrachtet, mit dessen Gruppe, während er einen von einem Gruppenmitglied betrachteten Gegenstand seiner eigenen Gruppe zuordnet. Und schließlich assoziieren Affenmännchen (aber nicht die Weibchen) Außenstehende eher mit Bildern von Spinnen, Gruppenmitglieder dagegen mit Bildern von Früchten. Diese Arbeiten waren vor allem deshalb interessant, weil die Affen zu verschiedenen Zeiten zwischen einzelnen Gruppen hin und her wechselten, so dass man das Ausmaß der Vertrautheit genau unter Kontrolle hatte. Gruppenmitglieder sind in der Regel vertrauter, aber unabhängig von der Vertrautheit werden sie gegenüber Außenstehenden bevorzugt. Dass Männchen Außenstehende eher mit negativen und Gruppenmitglieder mit positiven Reizen in Verbindung bringen, steht im Einklang mit Befunden an Menschen: Auch hier zeigen Männer in der Regel gegenüber Außenstehenden mehr Vorurteile als gegenüber Gruppenmitgliedern.
Die Voreingenommenheit der Macht
Häufig wird gesagt, Macht mache korrupt und absolute Macht mache absolut korrupt. In der Regel meint man damit, dass Macht die Ausführung immer egoistischerer Strategien ermöglicht, durch die jemand dann im Laufe der Zeit »korrumpiert« wird. Wie die Psychologen aber nachweisen konnten, führt Macht in unseren geistigen Abläufen sogar nahezu augenblicklich zur Korruption. Erzeugt man in Menschen ein Gefühl der Macht, versetzen sie sich seltener in andere hinein, und ihr Denken kreist mit größerer Wahrscheinlichkeit um sie selbst. Dies hat zur Folge, dass sie weniger gut verstehen, wie ihre Mitmenschen sehen, denken und fühlen. Nicht zuletzt erzeugt Macht also auch eine Blindheit gegenüber anderen.
Grundsätzlich besteht die Methode darin, dass man mit
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