Betrug und Selbstbetrug
allgemeingültige, gerechte Bewertungen vorzunehmen, dass aber »höhere« Fähigkeiten das Urteil im Nachhinein zu unseren Gunsten färben. Warum könnte eine solche psychologische Organisation für uns von Vorteil sein? Ein vorurteilsfreier innerer Beobachter sollte uns eigentlich bei der Beaufsichtigung unseres eigenen Verhaltens von Nutzen sein, und sei es auch nur, weil wir durch zutreffende Beobachtung unseres eigenen Verhaltens in Konflikten mit anderen besser beurteilen können, wer schuld ist. Gegenüber anderen können wir uns an Groucho Marx halten: »Ehrlichkeit und Fair Play sind die Geheimnisse des Lebens; wenn du die vortäuschen kannst, hast du es geschafft.«
Die Illusion der Kontrolle
Menschen (und viele andere Tiere) brauchen Vorhersehbarkeit und das Gefühl, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Wie man aus Experimenten weiß, erzeugen gelegentlich und nach dem Zufallsprinzip verabreichte elektrische Schläge viel mehr Angst (erkennbar an starkem Schwitzen und schnellem Puls) als eine regelmäßige, vorhersehbare Bestrafung. Bekannte Risiken sind leichter zu ertragen als unbekannte. Kontrollhandlungen vermitteln größere Sicherheit. Wer die Häufigkeit der elektrischen Schläge bis zu einem gewissen Grade steuern kann, fühlt sich wohler als jemand, der weniger Kontrolle über seltenere Schläge hat. Auch bei anderen Tieren, beispielsweise Ratten und Tauben, kann man ähnliche Effekte studieren.
Es gibt aber auch eine sogenannte Illusion der Kontrolle: Wir glauben, wir könnten Folgen stärker beeinflussen, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Die Bewegungen des Aktienmarktes können wir mit keiner unserer Handlungen beeinflussen; jede Vorstellung, wir seien dazu in der Lage, muss also eine Illusion sein. Dies hat man unmittelbar an echten Aktienmaklern gemessen. Wissenschaftler konzipierten dafür einen Computerbildschirm, auf dem eine Linie sich mehr oder weniger wie der Aktienindex unregelmäßig auf und ab bewegte. Anfangs zeigte dabei der allgemeine Trend nach unten, aber dann erholte er sich und wanderte in den positiven Bereich; der Versuchsperson vor dem Bildschirm wurde gesagt, die Betätigung der Computermaus »könnte« den weiteren Verlauf der Linie nach oben oder unten beeinflussen. In Wirklichkeit war die Maus mit überhaupt nichts verbunden. Anschließend wurden die Versuchspersonen gefragt, wie stark sie nach ihrer eigenen Einschätzung die Bewegungen der Linie beeinflusst hatten; auf diese Weise wurde ihre »Illusion der Kontrolle« gemessen. 18
Dabei ergab sich ein sehr interessanter Befund, wenn es sich bei den Versuchspersonen um Aktienmakler ( 105 Männer und 2 Frauen) handelte, deren Unternehmen den Versuchsleitern sowohl Daten über interne Bewertungen als auch über gezahlte Vergütungen zur Verfügung gestellt hatten. In beiden Fällen schnitten diejenigen schlechter ab, bei denen die Illusion der Kontrolle stärker war. Sie wurden von ihren Vorgesetzten als weniger produktiv eingeschätzt und – noch wichtiger – sie verdienten weniger Geld. Natürlich ist nicht sicher, was hier Ursache und was Wirkung ist. Wenn aber leistungsschwächere Personen auf ihr eigenes Versagen mit einer vermeintlich größeren Kontrolle über äußere Ereignisse reagierten, würden sie sich selbst für ihr Versagen stärker verantwortlich machen als für ihre Erfolge, was der gut belegten Tendenz, die eigenen Fehlschläge zu rationalisieren, widersprechen würde. Deshalb erscheint das Alternativszenario wahrscheinlicher: Danach führt die Vorstellung, man habe äußere Ereignisse stärker unter Kontrolle, als es tatsächlich der Fall ist, zu schlechteren Leistungen, das heißt, man ist ein schlechterer Aktienmakler. Interessant ist, dass hier die soziale Dimension fehlt. Man hat keine Kontrolle über die Bewegungen der Märkte und weiß nicht genug darüber. Es scheint hier wenig Gelegenheiten zu geben, die Vorgesetzten hinters Licht zu führen, wenn sie den Erfolg einfach und unmittelbar messen können. Dagegen ist nicht geklärt, ob eine solche Illusion in anderen Situationen vielleicht einen sozialen Vorteil bringen kann – oder sogar einen individuellen Nutzen, beispielsweise, weil jemand angeregt wird, sich stärker um tatsächliche Einflussmöglichkeiten zu bemühen.
Interessant ist dabei, dass ein Mangel an Einflussmöglichkeiten die sogenannte illusorische Mustererkennung begünstigt: Sorgt man dafür, dass Menschen das Gefühl mangelnder Kontrolle haben, neigen sie stärker
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