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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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kommen in den Bereich des Vorstellbaren, und der »Glaube« darf sich über die Vernunft hinwegsetzen.
    Religion steht in einem komplizierten Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit. Einerseits dürfte Gesundheit eine wichtige Selektionskraft sein, die religiöse Verhaltensweisen und Glaubensüberzeugungen begünstigt. Religionen predigen nicht nur häufig ein gesundes Leben, sondern manche Befunde sprechen auch dafür, dass religiöse Überzeugungen und Assoziationen die individuellen Überlebensaussichten, die Immunfunktion und die allgemeine Gesundheit verbessern. Schon Musik, die in Religion und Partnerwerbung so häufig vorkommt, stimuliert das Immunsystem. Die Medizin war ursprünglich in der Religion verwurzelt, und beide haben zumindest für einen Teil der Bevölkerung starke, nützliche Placebowirkungen.
    Ein völlig unerwarteter Zusammenhang zwischen Krankheit und Religion zeigt sich, wenn wir die religiöse Vielfalt (die Zahl der Religionen je Flächeneinheit) auf der ganzen Welt als Funktion der Parasitenbelastung (ungefährer Anteil der Todesfälle durch Parasitenerkrankungen) untersuchen. Bei einer großen Zahl von Parasiten finden wir viel mehr Religionen (und Sprachen) je Quadratkilometer. Da die Aufspaltung der Religionen auch in einem natürlichen Zusammenhang mit Ethnozentrismus und ethnischer Differenzierung steht, kann man damit rechnen, dass Parasiten dazu beitragen, die allgemeine religiöse Wahrheit im Laufe der Zeit zu untergraben, womit sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Täuschung und Selbsttäuschung innerhalb der Gruppen stehen. Dies dürfte ganz besonders für die polytheistischen Religionen gelten, aber mit dem Monotheismus kamen auch zusätzliche Kräfte der Selbsttäuschung ins Spiel, die mit den globalen Eroberungen und einem einzigen, beherrschenden Geist in Verbindung stehen.
    Als Letztes schließlich betrachten wir die Rolle von Gebet und Meditation, besondere Lehren, die sich gegen die Selbsttäuschung richten, und den Gegensatz zwischen der sozialen und inneren der Seite der religiösen Hingabe.
    Kooperation in der Gruppe
    Der Logik zufolge sollte Religion das altruistische, kooperative Verhalten zwischen den Mitgliedern einer Gruppe fördern, denn sein potentieller Nutzen liegt auf der Hand. 2 Neben dieser Wirkung verringert sie aber auch derartige Verhaltensweisen gegenüber Außenstehenden, und – noch schlimmer – sie begünstigt regelrechte Aggression und Mord. Mit anderen Worten: Ein höheres Maß von Feindseligkeit gegenüber Nachbargruppen kann die Voreingenommenheit für die eigene Gruppe verstärken (und umgekehrt). Dies ist das zweischneidige Schwert der Religion, das sich nach innen und außen richtet: Die Religion fordert von ihren Anhängern, dass sie ihren Nachbarn so behandeln wie sich selbst, gleichzeitig sollen sie aber auch alle Ungläubigen und Außenstehenden umbringen, wie es im Heiligen Buch angeordnet wird, Gruppe für Gruppe, bis zum letzten Mann, zur letzten Frau und zum letzten Kind. Im Extremfall propagieren manche Religionen die Liebe innerhalb der Gruppe und völkermörderischen Hass nach außen.
    In manchen Religionen stellen sich die Menschen vor, Gott würde jede ihrer Handlungen beobachten und bewerten. Die Sorge um den eigenen Ruf beeinflusst demnach offenkundig die Neigung der Menschen zu Kooperation. Wie man aus einer Studie weiß, können sogar zwei augenähnliche Objekte auf einem kleinen Teil eines Computerbildschirms in einem anonymen Wirtschaftsspiel unbewusst das kooperative Verhalten verstärken. Ähnliche Auswirkungen dürfte auch die Vorstellung haben, man werde von einem Gott (oder mehreren) beobachtet und beurteilt. Wenn man in einem Spiel zur Satzbildung einen »Gottesprimer« versteckt, verstärken sich die kooperativen Tendenzen tatsächlich ungefähr in dem gleichen Maß, wie durch Androhung säkularer Vergeltung (Polizei, Gerichte und so weiter). Soweit die Angst vor Gottes Urteil bei uns und anderen ein stärker moralisches Verhalten nach sich zieht, kann man in ihr ein Hilfsmittel sehen, das uns ein wenig egoistisches Verhalten kostet, uns aber vor dem viel größeren Preis schützt, wenn solches Verhalten von anderen erkannt und mit Aggression beantwortet wird; oder aber man betrachtet sie als Form der von anderen erzwungenen Selbsttäuschung, die uns dazu treibt, uns aus Angst stärker an der eigenen Gruppe zu orientieren.
    Die kognitiven Voraussetzungen für den Glauben an übernatürliche Handlungskräfte,

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