Betrug und Selbstbetrug
den sich unsere innere Anspannung und unser Engagement verstärken, wobei sie sich unter Umständen weit von unseren ursprünglichen Absichten oder Prinzipien entfernen. 11
Wie wir in Kapitel 5 erfahren haben, dürfte dieser Prozess eine wichtige Kraft sein, die Ehepaare nicht zur Versöhnung, sondern zur Scheidung treibt. Was darüber bestimmt, wie stark eine konkrete Person dazu neigt, sich angesichts einer Entscheidung an der Pyramide nach unten zu bewegen, ist eine sehr wichtige, unbeantwortete Frage.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie man sich einen möglichen Feind am besten zum Freund macht. Man könnte sich vorstellen, das Beschenken des anderen sei der beste Weg, um eine Beziehung des gegenseitigen Gebens und der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu etablieren. In Wirklichkeit ist es genau andersherum: Den anderen zu veranlassen, uns etwas zu schenken, ist oft die bessere Methode, um bei ihm positive Gefühle uns gegenüber auszulösen, und sei es auch nur, weil damit das anfängliche Geschenk gerechtfertigt wird. Dies wurde in Experimenten gezeigt, in denen man die Versuchspersonen überredete, anderen ein Geschenk zu machen: Im Vergleich zu denjenigen, die man nicht überredet hatte, bewerteten sie den Empfänger des Geschenks anschließend besser. Die gleiche Argumentation, die der Intuition widerspricht (wenn man von gegenseitigem Altruismus ausgeht), fängt eine mehr als 200 Jahre alte Volksweisheit ein:
Wer dir einmal einen Gefallen getan hat,
Ist eher bereit, dir einen zweiten zu tun,
Als derjenige, den du dir verpflichtet hast.
Kognitive Dissonanz bei Affen
und Kleinkindern 12
Interessant ist auch die Frage, ob man kognitive Dissonanz bei Tieren erkennen kann und ab welchem Alter solche Effekte bei Kindern auftreten. Vögel zeigen oft die gleiche Voreingenommenheit wie Menschen: Sie bevorzugen Gegenstände (in diesem Fall Futter), für die sie sich mehr angestrengt haben, gegenüber gleichartigen Objekten, die mit weniger Arbeit zu beschaffen sind. Das Gleiche gilt manchmal auch für Ratten.
Einen interessanten Befund erhielt man mit einer neuartigen Versuchsreihe: Zwingt man einen Kleinaffen, sich zwischen zwei Objekten zu entscheiden, auf die er gleichermaßen erpicht ist (beispielsweise zwischen einem blauen und einem roten Schokodragee), bevorzugt er anschließend eine andere Farbe (beispielsweise ein gelbes Schokodragee) anstelle derjenigen, die er zuvor zurückgewiesen hat (rot); es ist, als brauche er die Kontinuität. Um nach der Ablehnung des roten Dragees widerspruchsfrei zu bleiben, muss er es auch ein zweites Mal ablehnen. Trifft dagegen der Versuchsleiter die anfängliche Wahl (blau statt rot), hat dies auf die anschließende Entscheidung des Affen entweder überhaupt keine Auswirkungen, oder der Affe wählt die Farbe, die der Mensch für sich behalten hat, als müsse dies die bessere sein.
Nahezu die gleichen Experimente hat man auch mit vierjährigen Kindern gemacht, und dabei gelangte man beinahe zu den gleichen Ergebnissen. Zwingt man die Kinder, zwischen zwei gleichwertigen Objekten zu wählen, lehnen sie beim zweiten Mal das gleiche ab wie beim ersten Mal, als müssten sie sich selbst treu bleiben. Nachdem das Kind also einmal ein Objekt zurückgewiesen hat, verhält es sich so, als müsse es dafür einen guten Grund geben, und weist es auch beim zweiten Mal zurück. Das geschieht selbst dann, wenn das Kind erst nach seiner Entscheidung sieht, welchen Gegenstand es gewählt hat. Auch wenn der Versuchsleiter anstelle des Kindes die Entscheidung trifft, erhält man das gleiche Ergebnis wie bei den Affen: Die Auswahl hat auf die anschließende Entscheidung des Kindes entweder keine Auswirkungen, oder das Kind wählt das Objekt, das der Versuchsleiter für sich behalten hat, als müsse es das bessere sein.
Kurz gesagt, gibt es zwar nur wenige Studien zur kognitiven Dissonanz bei Tieren und Kindern, aber diese wenigen liefern ähnliche Ergebnisse: Jeder Beteiligte handelt so, als ob seine Rationalisierung der früheren Entscheidung auf einer stichhaltigen Logik gründet und es deshalb wert ist, dass man sie bei einer erneuten Gelegenheit wiederholt. Vor dem Hintergrund der in diesem Buch vertretenen Theorie ist man versucht zu behaupten, dass Kinder und kleine Affen eine allgemeine Illusion der Widerspruchsfreiheit projizieren, um damit andere zu beeindrucken.
Damit haben wir die Grundlagen gelegt, um die Evolution, Biologie und Psychologie der
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