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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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Theologie der Befreiung befürwortete ausdrücklich »den bevorzugten Einsatz für die Armen« und drängte ihre Organisation zur Gründung von Kommunen, die sich selbst versorgten. Die ganze Bewegung wurde vom US -Militär gezielt zerstört, aber natürlich auch von der katholischen Kirche selbst, die immer darauf aus war, die Theologie den jeweiligen Machtverhältnissen anzupassen. Das bevorzugte Mittel zur Durchsetzung der richtigen Lehre waren Morde; insbesondere in El Salvador wurden arglos reisende Nonnen auf offener Straße umgebracht, der Erzbischof Romero wurde getötet, als er gerade die Messe las, und ebenso starb ein mutiger Jesuitenpriester, der die prophetischen Worte aussprach: »Sehr bald werden die Bibel und das Evangelium in unserem Land nicht mehr erlaubt sein. Wir bekommen nur noch die Buchumschläge, sonst nichts.« Würde Jesus heute noch einmal auftauchen, so erklärte der Priester wenige Wochen vor seiner Ermordung, so würde man ihn als Aufwiegler festnehmen. So wird Religion durch rückwärts gewandte Kräfte entwertet.
    Religionen erzwingen Paarungssysteme
    Religionen erzwingen in der Regel ihre eigenen Paarungssysteme, und die wiederum haben Einfluss auf die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Glaubensgemeinschaften und zwischen ihnen. Im typischen Fall empfehlen die Religionen – oder verlangen sogar –, dass ihre Anhänger innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft oder Untergruppe heiraten: Katholiken schließen Ehen mit Katholiken, Protestanten mit Protestanten, Schiiten mit Schiiten, Juden mit Juden, und so weiter.
    Der Druck, sich innerhalb der Gruppe zu paaren, führt zu einem gewissen Maß an Inzucht – das heißt zu einer nicht zufälligen Paarung mit (wenn auch entfernten) Verwandten. Damit ist keine enge Inzucht beispielsweise zwischen Eltern und Kindern oder Geschwistern gemeint, sondern in der Regel handelt es sich um weiter entfernte Angehörige – Cousin ersten Grades, Cousine zweiten Grades und darüber hinaus. Wiederholt sich eine solche Inzucht aber Generation für Generation, so verstärkt sie die Verwandtschaft zwischen den Gruppenmitgliedern (das heißt, ihre genetische Ähnlichkeit wird wegen der gemeinsamen Abstammung größer). Gleichzeitig schafft sie eine Kluft in der Verwandtschaft zu anderen Gruppen – mit ihnen ist man weniger eng verwandt, als es ansonsten der Fall wäre.
    Von großer Bedeutung sind hier zweierlei Wanderungsbewegungen. Menschen können außerhalb ihrer Gruppe heiraten – und sie können konvertieren oder sich einer anderen Gruppe anschließen.
    Wenn (beispielsweise) ein Mann eine Frau von außerhalb heiratet und seine Kinder außerhalb seiner ursprünglichen Gruppe großzieht, erlebt die Herkunftsgruppe seine Abwanderung als »Selektionstod«. Welche genetischen Merkmale er auch besitzen mag, sie sind für diese Gruppe verloren; das gilt auch für seine Neigung, sich außerhalb der Gruppe zu paaren. Um es noch genauer zu sagen: Wenn er im Durchschnitt weniger ethnozentrisch, weniger selbstverliebt und in seinen Ansichten weniger engstirnig ist als die anderen Mitglieder seiner Ursprungsgruppe, verringert sich durch seine Abwanderung die Häufigkeit solcher Merkmale in dieser Gruppe ebenso, als wäre er schon in jungen Jahren gestorben.
    In der Gruppe, in die er sich begibt, hat sein Zuzug die umgekehrte Wirkung. Sie wird als »Selektionsgeburt« erlebt, als würde jemand mit den gerade beschriebenen Merkmalen geboren (und das im fortpflanzungsfähigen Alter). Was die Zusammensetzung der Herkunftsgruppe angeht, lautet die entscheidende Frage: Wie viel Zuwanderung findet statt und unter welchen Bedingungen? Wenn ein Mann eine Fremde geheiratet hat und die Gruppe akzeptiert, dass seine Kinder ihren Glauben haben, kehren die Merkmale, die durch Abwanderung verlorengegangen sind, durch Zuwanderung wieder zurück. Aber sind die beiden Prozesse gleich stark? Wenn mehr Männer abwandern als hinzukommen, nimmt die Inzucht in der Gruppe zu. Ich hatte keine Möglichkeit, mich mit dem Thema näher zu beschäftigen, aber wenn ich die genetischen Hintergründe der Religionsvielfalt erforschen wollte, würde ich meine Aufmerksamkeit vor allem auf die Frage richten, welches Ungleichgewicht bei Gruppenwechseln im Hinblick auf Geschlecht und Personenzahlen besteht.
    Was die Genetik angeht, so sind die Wirkungen von Inzucht gut bekannt. Die daraus hervorgehenden Individuen zeigen weniger innere Variabilität als bei der Paarung mit

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