Betrug und Selbstbetrug
regelmäßig wie das Bedürfnis, spät am Abend sexuelle Gesellschaft zu haben, ganz gleich, mit wem und zu welchen Bedingungen. Eine Lektion habe ich erst in den vergangenen Jahren – gut 40 Jahre nachdem es von Nutzen gewesen wäre – gelernt: Allein ins Bett zu gehen ist besser, als mit Schuldgefühlen aufzuwachen. Nachdem ich diese einfache Regel formuliert hatte, konnte ich sie auch besser befolgen – nicht immer, aber doch in den meisten Fällen. Und wenn es nicht gelingt, bin ich mir stärker bewusst, dass ich mit Schuldgefühlen aufwachen werde, mich wieder mehr um meine eigene Selbstachtung bemühen muss und mein Bewusstsein stärken sollte. Die neue Herangehensweise hat aber nach meiner Überzeugung auch Vorteile. Wenn man Morgen für Morgen keine Schuldgefühle mehr empfindet, wächst ein Gefühl des echten Selbstvertrauens und der entspannten Stärke. Man kann einen besseren Weg einschlagen und erkennt, dass er einem auf vielerlei Weise nützt. Wie lange der Effekt anhält, ist natürlich eine andere Frage, aber wenn man davon ausgeht, dass zwanghaft wiederholtes Verhalten, das zu wiederkehrenden Schuldgefühlen führt, alles andere als optimal ist, erscheint das Ziel lohnend und naheliegend.
Der Wert eines stärkeren Bewusstseins
Im geistigen Leben der Menschen gibt es zwei große Achsen: Intelligenz und Bewusstsein. Man kann sehr schlau und doch bewusstlos sein, aber auch begriffsstutzig und bei Bewusstsein, oder man liegt irgendwo in der Mitte zwischen diesen Kombinationen. Bewusstsein gibt es natürlich in vielen Formen und Abstufungen. Wir können die Realität leugnen und dann die Leugnung leugnen. Wir können uns bewusst sein, dass jemand in einer Gruppe uns schaden will, aber wir wissen nicht wer. Oder wir wissen wer, aber nicht warum, warum, aber nicht wann, und so weiter.
Was Täuschung und Selbsttäuschung angeht, kann mangelndes Bewusstsein für solche Tendenzen bei anderen uns zum Opfer machen. Vielleicht vertrauen wir ihnen zu schnell, insbesondere wenn sie sich in einer Autoritätsposition befinden. Vielleicht glauben wir, was in der Zeitung steht, fallen auf Zauberkünstler herein und machen uns umstandslos falsche historische Darstellungen zu eigen. Bewusstsein heißt, Möglichkeiten zu erkennen, auch wenn sie aus einer Welt erwachsen, die mit Täuschung und Selbsttäuschung gesättigt ist.
Bewusstsein und Veränderungsfähigkeit sind zwei verschiedene Variablen. Ich neige dazu, moralistisch zu sein, übermäßiges Selbstvertrauen an den Tag zu legen und verächtlich über andere Ansichten herzuziehen – mehr oder weniger das, was man von einem Lebewesen meines Typs erwartet; ich bin mir aber auch bewusst, dass ich solche Voreingenommenheiten in mir trage. Ich kann es genau belegen. Wünsche ich mir, dass es anders wäre? Ja. Kann ich es ändern? Nein. Das ist für mich das echte Paradox oder die Tragödie der Selbsttäuschung: Wir würden es gern anders machen, aber wir können nicht.
Dennoch verschafft das Bewusstsein für Täuschung und Selbsttäuschung uns die Möglichkeit, mehr Spaß daran zu haben, beides genauer zu verstehen, uns besser davor in Acht zu nehmen (wenn es sich gegen uns richtet) und schließlich solche Tendenzen in uns selbst zu bekämpfen, wenn wir es wünschen. Vor allem aber ermöglicht es viel größere Einblicke in unser soziales Umfeld, von den Lügen der Regierung und der Medien bis zu den tiefer gehenden Unwahrheiten, die wir uns selbst und denen, die uns nahestehen, erzählen.
Die Gefahren der Phantasie bei der
Weitergabe von Täuschung
Eine bestimmte Form der Selbsttäuschung – das Schwelgen in Phantasien – macht die Täuschung weniger rational und verringert ihre Erfolgsaussichten. Wenn es um schwere Verbrechen geht, ist es sicher nützlich, das Thema bewusst und sorgfältig in allen Einzelheiten zu durchdenken. Weder Selbsttäuschung noch (insbesondere) die Phantasie werden hier von großem Nutzen sein. Aber betrachten wir kleinere Vergehen. Wir versuchen, eine geringe Menge Drogen durch den Zoll zu schmuggeln. Die Frage, was wir tun, wenn wir erwischt werden, haben wir als Einzige nicht durchdacht – vielleicht weil der Gedanke zu unangenehm ist. Wir können uns auch einbilden, es sei von Vorteil, nicht über das Thema nachzudenken, weil wir dann mit vorgetäuschter Arglosigkeit, die durch das Fehlen von Angst verstärkt wird, durch den Zoll gehen. In Wirklichkeit wird genau das Gegenteil geschehen. Da wir nicht darüber nachgedacht
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