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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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lernte zahlreiche Tricks, um Rechenaufgaben schnell zu lösen. Wenn man aber vor die Zahlen ein Dollarzeichen setzte, fand in meinem Kopf ein Kurzschluss statt. Ich addierte, wo ich subtrahieren sollte, und multiplizierte, wo eine Division vorgesehen war. Also musste ich die Dollarzeichen zunächst weglassen und erst am Ende wieder hinzufügen. Außerdem musste ich meine Arbeiten sorgfältiger Korrektur lesen. Wenn man eine lange Zahl abschreibt und sicher sein will, dass man keine Fehler gemacht hat, kann man die Ziffern noch einmal durchgehen und unmittelbar vergleichen, besser ist es aber, sie von hinten nach vorn zu lesen. Auf diese Weise können unbewusste Voreingenommenheiten, die zweimal hintereinander das Erkennen des Fehlers verhindern, in den meisten Fällen ihre Wirkung nicht entfalten. Derselben Methode bedienen sich häufig auch professionelle Korrektoren.
    Ein weiteres Beispiel dafür, wie man Verhaltensmuster bemerken und ihnen bewusst entgegenarbeiten kann, betrifft die Übertragung. Für die Psychologie von Menschen (und Affen) ist es charakteristisch, dass Aggression leicht auf andere übertragen wird. Wer sich über den Ehepartner ärgert, ist unter Umständen den Kindern gegenüber ruppiger oder tritt nach dem Hund, häufig zu deren Überraschung. Es ist, als würde der einmal ausgelöste Ärger sich nach Zielen umsehen; dem logischen Ziel gegenüber ist er aber blockiert, und deshalb sucht er nach Opfern in der Nähe, bevorzugt nach solchen, die kleiner sind und weniger gut zurückschlagen können. Dies geschieht so häufig, dass alle einschließlich meiner selbst es kommen sehen, und doch besteht anfangs wie zuvor der Impuls, der Wut nachzugeben, selbst wenn man wenig später zerknirscht ist und sich entschuldigen muss.
    Warum sind wir so zwanghaft?
    Warum wiederholen wir uns selbst so oft? Warum treten innere Zwänge immer wieder auf, obwohl wir uns alle Mühe geben, sie zu unterdrücken? Warum führen wir in unserem Inneren lebenslang die gleichen Diskussionen, die sich kaum ändern und nie beigelegt werden? Warum lernen wir nichts? Obwohl die Einzelheiten von Fall zu Fall unterschiedlich sind, bin ich davon überzeugt, dass die Genetik fast immer eine Rolle spielt.
    Im Gehirn sind bis zu 60 Prozent aller Gene aktiv; damit ist es genetisch das vielseitigste Gewebe unseres Organismus (siehe Kapitel 6 ). Wir rechnen also mit gewaltigen genetischen Schwankungen, die sich auf das Verhalten auswirken, auch auf Täuschung und Selbsttäuschung. Demnach dürften wir uns psychologisch häufig schon aus genetischen Gründen unterscheiden, ohne dass Umwelt, soziales Umfeld oder Vernunft auf uns einwirken. Um die Gene während ihrer Tätigkeit zu beobachten, müssen wir Abstammungslinien in unserem unmittelbaren Umfeld und insbesondere in unserer Familie studieren, und das ist sehr schwierig. Nach allem, was wir wissen, liegt deshalb ein Großteil der Variabilität der uns umgebenden gesellschaftlichen Komplexität außerhalb unserer Verständnisfähigkeit, zumindest was die Kausalbeziehungen angeht.
    Unsere Gene verändern sich nicht, ihr Expressionsmuster kann aber schwanken. Wenn sie ständig auf die gleiche Weise aktiv sind, erleben wir dies unter Umständen als Zwang, dem wir uns nicht entziehen können. Ebenso dürften die Gene unseren Wünschen und Impulsen schon frühzeitig eine Struktur gegeben haben, die sich nur schwer abwandeln lässt. Das könnte durchaus bedeuten, dass es in unserem Verhalten sich wiederholende Aspekte gibt, auf die wir gut verzichten könnten, die aber durch unseren Genotyp in uns verwurzelt sind.
    Was unsere inneren Konflikte angeht, so sollten wir einerseits daran denken, dass die Interessen unserer mütterlichen und väterlichen Gene während unseres gesamten Lebens im Widerstreit stehen, weshalb innere Konflikte, die aus solchen Genen erwachsen, sich unter Umständen kaum beilegen lassen (siehe Kapitel 4 ). Aber wie wir andererseits festgestellt haben, sind wir mit zunehmendem Alter über unsere mütterlichen und väterlichen Gene immer stärker symmetrisch mit anderen verwandt (mehr mit Kindern und Enkeln, weniger mit Geschwistern und Eltern); deshalb können wir damit rechnen, dass wir jenseits des 60 . Lebensjahres innerlich friedlicher werden und zusätzlich (getrennt davon) den »Positivitätseffekt« des hohen Alters erleben (siehe Kapitel 6 ).
    Was die Bekämpfung unserer inneren Zwänge angeht, so sind nur wenige (zumindest bei einem Mann) so stark und

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