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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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Strategie des Bemühens um Ehrlichkeit aus logischen Gründen dazu führen, dass dieses Bemühen in der Evolution verschwindet, muss ich dem Thema besondere Gedanken widmen, aber solange es in der Evolution stabil vorhanden ist – wenn auch vielleicht mit geringer Häufigkeit –, werde ich weiterhin mit der Bekämpfung der Selbsttäuschung als meiner sogenannten inneren Strategie durchs Leben gehen; was aber nicht heißt, dass ich große Hoffnung hätte, mein Ziel zu erreichen.
    Eine Reihe kleiner Siege, gefolgt von
einer größeren Katastrophe
    Ich selbst erlebe Selbsttäuschung häufig als eine Reihe kleinerer Nutzeffekte, für die ich später einen hohen Preis zahle. Ich bin übermäßig selbstsicher, projiziere dieses Bild und erfreue mich einiger Illusionen, nur um später unter dem krass umgekehrten Effekt zu leiden, der seine Ursache teilweise in der vom übermäßigen Selbstvertrauen hervorgerufenen Blindheit hat. Ich leugne beispielsweise Belege, die gegen eine glückliche Partnerschaft sprechen, obwohl diese Beziehung in Wirklichkeit immer schlechter wird; jeder kleine Kompromiss mit der Realität steigert vorübergehend die Stimmung und zögert die Erkenntnis hinaus, die irgendwann mit gewaltiger Kraft über mich hereinbricht. Leugnung ist, wie wir erfahren haben, am Anfang oft einfach, lässt sich dann aber kaum noch bremsen. Oder anders formuliert: Selbsttäuschung nimmt häufig ein schlimmes Ende. Das gilt für Großereignisse wie fehlgeleitete Kriege und Wirtschaftspolitik ebenso wie für Ereignisse im persönlichen Leben. Wenn wir uns selbst und andere täuschen, erfreuen wir uns vorübergehend eines Nutzens, dann aber haben wir unter den langfristigen Kosten zu leiden.
    Nach meiner Überzeugung ist dies im Leben eine allgemeine Regel: Bis der Preis des Unwissens sich bemerkbar macht, vergeht einige Zeit, während der Nutzen der Selbsttäuschung sofort einsetzt. Wie sich schon vor langer Zeit durch Experimente mit Ratten gezeigt hat, können Lebewesen solche Zusammenhänge – bei denen also eine zeitliche Verzögerung mitspielt – nur sehr schwer erlernen. Unmittelbare Belohnungen und Bestrafungen sind offenkundig, Langzeiteffekte zu erkennen, ist dagegen weitaus schwieriger. Außerdem neigen wir stark dazu, zukünftige Wirkungen niedriger als sofort eintretende zu bewerten, so dass langfristige negative Folgen für uns besonders schwierig zu erkennen sind. Im Folgenden möchte ich einige wenige Hilfsmittel zur Bekämpfung der Selbsttäuschung skizzieren, die sich im Leben als nützlich erweisen könnten. Mit Sicherheit gibt es noch viele, viele andere.
    Anzeichen für verborgenen mentalen Murks
    Stellen wir uns einmal vor, wir sind beim Geschirrspülen und lassen ein Weinglas unvorsichtig ins Waschbecken fallen, so dass es zerbricht. Was ist währenddessen in uns vorgegangen? Ich selbst habe in solchen Fällen häufig daran gedacht, wie ich einem anderen etwas Unangenehmes und Törichtes antue. In diesem speziellen Fall malte ich mir aus, wie ich einer Frau etwas sagte, was sie nicht wissen musste und nicht hören sollte. Das zersplitterte Glas war mir eine Warnung. Als ich die Scherben aufsammelte, grübelte ich darüber nach, wie dumm meine Gedanken gewesen waren, und schwor mir: Was ich auch tun würde, es sollte nicht das sein, was mir durch den Kopf gegangen war, als ich das Glas zerbrochen hatte. Einmal schnitt ich mir auch die halbe Unterlippe auf, als ich mich rasierte und gleichzeitig jemanden (im Geist) als Arschloch beschimpfte. Ein Arschloch war er tatsächlich – er konnte mich über eine Entfernung von vielen Kilometern verletzen.
    Ich glaube, die große Bedeutung dieses Zusammenhanges wurde mir zum ersten Mal klar, als ich eines Abends ungefähr zur Zeit des Sonnenuntergangs vom Campus der University of California in Santa Cruz wegfuhr. Ich fuhr zu schnell und fluchte im Geist über einen Kollegen, mit dem ich mich eben noch gestritten hatte. Gerade als ich auf dem Höhepunkt angelangt war und ihn einen Dreckskerl nannte, hätte ich fast zwei Studenten überfahren, die an einer Kreuzung die Straße überquerten. Sie fluchten und zeigten mir die Fäuste, und auch ich drohte ihnen mit der Faust; erst kurz darauf wurde mir klar, dass ich wegen meines Konflikts mit dem Kollegen beinahe zwei völlig unbeteiligte Zaungäste überfahren hätte. Wie ich wenig später erkannte, war das Verhalten, über das ich nachgedacht hatte, in seinem Bereich fast ebenso selbstzerstörerisch, wie

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