Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
geschaut zu haben.
»Und, Sefferl, wann kommst?«, hörte ich nämlich eine zittrige Stimme. »Morgen sind’s zwei Wochen, dass ich nix von der Caro gehört hab! Dabei hab ich dem heiligen Antonius schon die dritte Kerze gestiftet!«
»Anneliese, so wie es aussieht, komme ich gar nicht auf die Insel«, antwortete ich und zwinkerte Oliver zu. »Nein, ich habe nichts herausgefunden, das Krankenhaus hat mich abgewimmelt. Aber ich kann trotzdem nicht kommen. Mein Chef lässt mich nicht fahren!«
Darauf sagte die alte Frau Lechner nichts, und ich schob noch ein hohl klingendes »Tante Caro wird schon wiederauftauchen. Tut mir leid!« hinterher und legte schnell auf, um ihr Schweigen nicht ertragen zu müssen.
»Jessas, hamms dich da einigschossen, in den Rock?«
Die Lechner-Oma versucht mir mit lautem Ächzen meine nassen Sachen von den Beinen zu schälen, und ich falle fast von dem frotteebezogenen Klodeckel, auf dem mich das Zotteltier nach der eiskalten Überfahrt abgesetzt hat. Ich helfe ihr mit steifen Fingern und fühle mich so vital wie ein frisch geborgenes Lawinenopfer.
»Da schau, der ist von mir, den kannst anziehen.«
Annelieses Enkelin Leonie sieht so aus, wie ich als Dreizehnjährige auch gerne ausgesehen hätte: Röhrenhose, pinkes T-Shirt, Lipgloss und einen Haufen glitzernder Spangen im blonden Stufenschnitt. Sie reicht mir einen ordentlich zusammengelegten Jogginganzug, der duftet, als hätte man eine ganze Flasche Weichspüler darüber ausgeschüttet.
»Sorry, hellgelb ist eigentlich nicht so mein Ding«, will ich einwenden, aber meine Zähne schlagen noch zu sehr aufeinander. Die Lechner-Oma verschwindet mit ihrer Enkelin, um mir auf dem Kanapee ein Lager aus Decken zu bauen, und hält mir ein Teeglas entgegen, als ich in einer Wolke Meeresbrise die Stube betrete.
»Pass auf, die ist heiklig!«, kommt die grantige Stimme des Gorillas aus dem Hintergrund.
»Ach wo, das ist mir jetzt wurscht, ein heißer Nopi mit Honig hat noch nie nicht jemandem geschadet!«
»Ist da Alkohol drin? Ich vertrage nämlich nur Champagner«, frage ich schwach, aber die Lechner-Oma ist offensichtlich nicht mehr besonders gut bei Gehör, und ich probiere einen Schluck. Das Getränk hat die Farbe von Kamillentee, schmeckt würzig und süß, und vor allem macht es sekundenschnell wohltuend warm. Ich entspanne mich ein wenig. Allerdings hindert mich am Wohlfühlen noch, dass der Gorilla neben dem Kachelofen steht und aus seinen Haaren ein leichter Dampf aufsteigt, da, wo sie dem Ofen am nächsten sind.
»Ein Wunder, dass es hier nicht nach nassem Hund riecht«, murmle ich böse. Schließlich gebe ich ausschließlich dem Zotteltier die Schuld, dass mein Auftritt als rettende Heldin aus der Stadt nicht ganz so wirkungsvoll war, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Deshalb bin ich auch nicht besonders böse, als ihn die Lechner-Oma zur Tür dirigiert und an der Eingangstür losschimpft: »Basti, sag amal, was hastn du angstellt mit dem Dirndl?«
»Nix!«, murrt der Troll. »Mitgenommen hab ich sie, weil sie das Kursschiff verpasst hat.«
»Mit der Plätten 3 ? Bei dem Sauwetter?«
»Was kommts auch in solchen Großstadtfetzen daher. Selber schuld!«
»Spinnst du? Hättest doch das Häuslboot von der Caroline holen können, das ist wenigstens sicher. Jetzt können wir froh sein, wenn das Sefferl sich nix geholt hat!«
Dann fällt eine Tür nicht besonders leise ins Schloss, und die Lechner-Oma kommt kopfschüttelnd ins Zimmer zurück.
»Warum hast denn nicht angerufen, Sefferl, dass du da bist?«
Ich erzähle ihr meine Geschichte, angefangen bei der Bäckerin und ihrer Winterpause über den toten Akku bis hin zum Ruderboot und dem Gorilla, der mir seinen Namen nicht sagen wollte, unterbrochen von kleinen Schlucken Nopi, zwecks Stimme ölen. Die Lechner-Oma schüttelt den Kopf und legt kurz die Hände vor die Stirn.
»Ohmeiderbastidermogsiseibaned.«
»Wie bitte?«
»Ach nix.« Die Lechner-Oma rückt an ihrem Lehnstuhl und setzt sich neben mich, und in dem wuchtigen Möbel fällt mir auf, wie klein sie geworden ist.
»Ich wollt nur sagen, dass es der Basti gut meint, aber dass es manchmal eine rechte Arbeit ist, das zu merken.«
»Basti?«
»Ja, der Basti. Der Schmied halt.«
»Du meinst … das war der Basti, der von früher? Der lebt immer noch hier?«
Ich erinnere mich an einen hübschen Jungen, eine Klasse unter mir, aber um einen Kopf größer, in kurzen Hosen und mit knubbligen Knien an steckerldünnen
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