Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
ich mal für den Papa organisiert, damals, als sie ihn am Leistenbruch operiert haben. Weil er die Mama über die Schwelle tragen wollte am zehnten Hochzeitstag.«
»Konzentration bitte«, klopfe ich mit dem Fingerknöchel auf meine leere Tasse. »Du hast mit Tante Caro gesprochen, Anneliese. Jeden Tag. Und wie klang sie?«
»Am Anfang recht schwach, und sie hat auch gesagt, sie will nicht, dass wir kommen, ich soll mich lieber ums Haus kümmern, weil das wird länger leben als sie. Darum hab ich sie dann auch gar nicht besucht, sondern lieber ihre Blumen gegossen. Aber dann hat sie plötzlich nach einer Woche gesagt, heute tät sie rauskommen, nach der Visite, und dann hats aufgelegt, weil sie einen Besuch gekriegt hat.«
»Ah. Und wer war das?«
»Das hat sie nicht gesagt. Und ich war’s nicht, weil ich war ja hier, und ned da, weil sonst hätt ich ja nicht mit ihr telefonieren können!«, kommt jetzt die Lechner-Oma hochanalytisch in Fahrt.
»Besuch? Na ja, das kann ja jeder gewesen sein. Auch jemand aus der Klinik, ein Arzt oder ein Physiotherapeut.«
»Na, des war ganz sicher ein Besuch, weil ich hab was rascheln hören, ein Papier, und die Schwester, die wo grad im Zimmer war, die hat gesagt: Mei, so schöne Blumen. Und Blumen, die bringt einem so ein Massageheini nicht mit, gell.«
»Gut beobachtet«, lobe ich die Lechner-Oma und beiße vor lauter detektivischer Begeisterung in die Räucherfischsemmel. Aus Versehen, aber die Lechnerin sieht es mit Wohlwollen.
»Gut, gell? Da kriegst jetzt jeden Tag eine.«
»Passt schon«, antworte ich und schiebe den Bissen in meinen Backen hin und her. »Ich bin eh nur bis Sonntag hier.«
»Meinst, dass die Caro bis dahin wieder da ist?«, fragt die Lechner-Oma hoffnungsvoll.
»Aber sicher. Und so wie es aussieht, müssen wir herausfinden, wer die Caro besucht hat. Mit diesem Besucher hat sie dann sicher besprochen, was sie vorhat. Und wir müssen in der Klinik nachfragen, ob es Komplikationen gab oder sie in die Reha gekommen ist. Wer übernimmt was?«
»Hgrrmm«, räuspert sich die Lechner-Oma. »Ich wollt eigentlich langsam zum Plätzerlbacken anfangen.«
»Plätzerl?«, frage ich irritiert und würge den Fisch hinunter.
»Freilich, in ein paar Tagen ist Advent. Von nix kummt nix!«
Leonie schüttelt ebenfalls den Kopf. »Ich hab leider auch keine Zeit, ich muss morgen früh zum Hotel hoch. Der David gibt mir am Samstag immer Englischnachhilfe.«
»Auf dieser Insel gibt jemand Englischnachhilfe?«, frage ich erstaunt.
»Ja, der David ist der Geschäftsführer im Hotel, und der ist mit der Kati, der Sonnfischerin, verlobt. Apropos, der Papa von der Kati, der ist doch seit dem Sommer mit der Helga Brüderle beinander, und die ist Ärztin in Prien. Vielleicht weiß die was? Wennst magst, bring ich dich morgen gleich in der Früh hin!«
Ich zucke zusammen, weil es am Stubenfenster klopft, und die Lechner-Oma steht auf, um ein paar Kakteen vom Fensterbrett zu räumen.
»Habts es an Besuch?«, fragt jemand, und ich sehe eine spitze Nase, die sich in den Fensterspalt drängelt.
»Schon, aber der geht grad!«
»Ja, wohin geht der jetzt? Mitten in der Nacht?«
»Zur Caro.«
»Ah. Das passt optimal, in die Richtung geh ich auch!«
Die Anneliese seufzt erst, aber dann holt sie aus der obersten Kommodenschublade einen verschnörkelten Schlüssel, so groß, als würde er zu einem Kirchentor gehören, und lässt eine ältere Frau in den Hausgang, die offensichtlich schon länger draußen unterwegs ist. An ihrer blauroten Nasenspitze hängt nämlich ein unübersehbares Tröpfchen, das hin und her schwingt und sich löst, um im Revers ihres dunkelbraunen Wollmantels zu versickern. Der steht offen und lässt den Blick frei auf einen grauen Kittel mit pastellfarbenen Streublümchen drauf.
»Mei, des is doch des Sefferl! Kommst auch einmal deine Tante besuchen? Ja, des wird ja auch langsam Zeit, gell. Hast ihr schier das Herz brochen, weilst nie was von dir hören hast lassen! Bist es schon, oder? So blass, und die Augen ganz schwarz eikastelt 6 ! Wie der Leibhaftige kommst daher, dabei warst so ein nettes Specklaiberl früher, so ein goldiges!«
»Tja«, antwortet das ehemalige Specklaiberl, »mir gefällt das. Und meinem Freund auch!«
»Da schau her«, säuselt die Kittelträgerin. »Und wer ist dein Freund? Der Herr der Finsternis?«
»Nein. Das ist ein Unternehmer, ein sehr erfolgreicher!«, gebe ich an, aber bekomme nur zur Antwort: »Der Wiggerl, der war
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