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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Stimmlage sang und Mary versprach, sich beim Vorsingen auf die Bühnenrampe zu setzen und die Beine malerisch ins Orchester baumeln zu lassen.
    Endlich kam der Abend des Vorsingens. Mary brachte ihre Schminkschatulle vom Theater mit und sagte, sie wolle Dede im Theater zurechtmachen, da sie ja große Übung im Schminken hatte. Sie stellte auch Dedes Kostüm zusammen, ein altes rosa Taftabendkleid von mir mit einem Kragen aus gerüschter Silberspitze. Normalerweise hätte Mary die arme Dede chloroformieren müssen, bevor sie sie dazu gebracht hätte, das scheußliche Kleid anzuziehen, aber Dede war nun seit zehn Tagen unter Marys ständigem Einfluß gewesen und befand sich in einem Zustand der Hypnose. Wieso Mary ausgerechnet dieses Kleid, das niemand von uns je hatte leiden können, aussuchte, werde ich nie begreifen. Schön war es nie gewesen, nun war es aber außerdem noch unmodern und leicht verschmutzt. Wahrscheinlich lag es daran, daß Mary sich ganz auf südlich eingestellt hatte, und da stöberte sie in alten Kisten auf dem Estrich herum, anstatt in den Schränken nach etwas Tragbarem zu suchen. Das rosa Taftungeheuer war das erste Gewand, das ihr in die Hände fiel.
    Als wir um halb ein Uhr mittags im Theater erschienen, stellte sich heraus, daß nicht nur Dede Vorsingen sollte, wie Mary uns dies eingeredet hatte, sondern daß es das allgemeine halbjährlich wiederholte Vorsingen, Vorspielen und Vortanzen war, das regelmäßig für Fanchon und Marco veranstaltet wurde. Dede hatte schreckliche Angst, aber Mary war in voller Fahrt. Sie kannte jedermann. Sie kannte den Klavierspieler, der, wie sich herausstellte, Bill war; sie kannte den Leiter des Theaters, den sie ‹Jerry› und ‹mein Engel› titulierte, und sie kannte beinahe alle anwesenden Sänger und Schauspieler und Artisten. Ich war erstaunt. Mary arbeitete seit sechs Monaten als Werbedame für eine Reklamefirma, aber soviel ich wußte, hatte sie für Fanchon und Marco nichts zu tun gehabt, und mir war unerklärlich, woher sie all die Leute so gut kannte. Sie schien jedoch allgemein sehr beliebt zu sein, war ständig in Bewegung, lachte, redete und organisierte. Ein Weilchen trottete Dede gehorsam hinter ihr her, doch dann verließ sie der Mut, und sie kam ins Parkett hinunter und setzte sich zu uns.
    Verstreut im Parkett saßen einige Männer mit Zigarren im Mund. Wir nahmen an, daß es Freunde von Fanchon und Marco waren und empfanden es daher als sehr peinlich, daß Mary plötzlich vor den Vorhang trat und mit erhobener Stimme rief: «Wo ist Dede? Dede? Ich muß dich schminken.»
    Unglücklicherweise fiel ihr Blick auf uns, die wir alle zusammen in der ersten Reihe saßen, und sofort begann sie uns herumzudirigieren. «Du gehst ganz nach hinten, Sydney», befahl sie meiner Mutter. Getreulich der Theatersitte hatte sie aufgehört, Mutter «Mutter» zu nennen und rief sie beim Vornamen. «Betty, du stellst dich hier hinüber, Cleve auf die andere Seite, Alison, du bleibst bei Mutter.» Wir protestierten, aber sie wollte nichts hören. «Wie sollen wir beurteilen können, wie Dedes Stimme klingt, wenn wir alle zusammen in der ersten Reihe hocken?» Die Männer mit den Zigarren lachten, und wir hätten Mary am liebsten erwürgt. Nur Sydney blieb ruhig. «Wartet, bis sie wieder hinter dem Vorhang verschwindet, dann setzen wir uns zusammen.»
    Dede schlich langsam auf die Bühne, Mary zog sie mit sich, und das Vorsingen und Vorspielen begann.
    Zuerst kamen ein paar elegische Tänzer, die schmutzige lange Unterhosen trugen und schwer atmeten; dann trat ein unappetitlich aussehender dunkelhaariger Bursche auf, der unanständige Witze erzählte; darauf produzierte sich ein ängstlicher kleiner Jongleur, der alles fallen ließ und eine beträchtliche Anzahl der Rampenlichter zerbrach.
    Und dann kam aus der Seitenkulisse etwas angeschlichen, das wie ein täppischer kleiner Bär aussah, denn Mary, die Schauspiel-Studierende und perfekte Schminkkünstlerin, hatte Dedes Augenpartie mit blau-schwarzen Schatten ummalt und das wellige, dunkle Haar meiner kleinen Schwester mit Brillantine glatt und straff zurückgekämmt. Ich warf Mary, die sich in den Sitz neben mir hatte gleiten lassen, einen fragenden Blick zu, aber sie schien mit ihrem Werk zufrieden zu sein und sah, nervös rauchend, zu Dede hinauf. Ich beschloß, den Mund zu halten.
    Dede ging schüchtern zur Rampe vor, setzte sich dort nieder, verschränkte die Beine, wie Mary es ihr eingepaukt hatte, und

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