Beute
Distanz. Wahrscheinlich ein weiteres noch nie da gewesenes Ereignis, dachte ich: Eindringlinge in ihrem Nest. Sie wussten noch nicht, was sie tun sollten. Ich bewegte mich vorsichtig; unter meinen Füßen wurde es stellenweise immer rutschiger. Der Boden war mit einer dicken Dreckschicht bedeckt, die an einigen Stellen streifig grün leuchtete. Die Streifen schienen nach innen zu laufen, zum Zentrum hin. Ich hatte das Gefühl, dass der Boden ein leichtes Gefälle hatte.
»Wie weit noch?«, sagte Mae. Sie klang noch immer ruhig, aber ich glaubte ihr diese Ruhe nicht. Ich war es auch nicht; als ich nach hinten blickte, konnte ich den Eingang des Raumes nicht mehr sehen, weil er von den Kugeln verdeckt wurde.
Und auf einmal waren wir im Zentrum, denn die Trauben liefen in einem offenen Raum aus, und direkt vor uns sah ich etwas, das so aussah wie eine Miniaturausgabe des Hügels draußen. Er war etwas über einen Meter hoch und kreisrund, und ringsherum ragten flache flügelartige Ausbuchtungen nach außen. Auch er war grün gestreift. Blasser Rauch stieg von den Flügeln auf.
Wir traten näher.
»Es ist heiß«, sagte Mae. Und das stimmte. Die Hitze war extrem; deshalb qualmte es. Mae sagte: »Was meinst du, was da drin ist?«
Ich blickte auf den Boden. Ich sah, dass die grünen Streifen von den Kugeln zu dem Hügel in der Mitte führten. Ich sagte: »Assembler.« Die stacheligen Seeigel generierten organisches Rohmaterial. Es floss ins Zentrum, wo die Assembler die endgültigen Moleküle produzierten. Dort fand die Endmontage statt.
»Dann ist das da das Herz«, sagte Mae.
»Ja. Könnte man so sagen.«
Die Schwärme waren jetzt um uns herum, verharrten hinten bei den Trauben. Offenbar würden sie nicht ins Zentrum kommen. Aber sie waren überall, warteten auf uns.
»Wie viele willst du?«, fragte Mae leise, während sie das Thermit aus ihrem Rucksack nahm.
Ich sah mir all die Schwärme an.
»Fünf für hier«, sagte ich. »Den Rest brauchen wir, um rauszukommen.«
»Wir können nicht fünf auf einmal anzünden …«
»Schon gut.« Ich streckte meine Hand aus. »Gib sie mir.«
»Aber Jack …«
»Mach schon, Mae.«
Sie gab mir fünf Kapseln. Ich ging näher an den Hügel heran und warf die Kapseln unangezündet hinein. Die Schwärme drum herum summten, kamen aber noch immer nicht auf uns zu.
»Okay«, sagte Mae. Sie verstand sofort, was ich vorhatte. Sie holte noch mehr Kapseln heraus.
»Jetzt vier«, sagte ich mit Blick auf die Schwärme. Sie waren unruhig, bewegten sich hin und her. Ich wusste nicht, wie lange sie noch blieben, wo sie waren. »Drei für dich, eine für mich. Du kümmerst dich um die Schwärme.«
»Alles klar …« Sie gab mir eine Kapsel. Ich zündete die anderen für sie an. Sie warf sie in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Die Schwärme tanzten davon.
Sie zählte: »Drei … zwei … eins . jetzt!«
Wir kauerten uns hin, duckten uns vor der grellen Lichtexplosion. Ich hörte ein Knacken; als ich wieder hinsah, brachen einige von den Kugelgebilden auf und fielen auseinander. Stacheln rollten über den Boden. Ohne zu zögern, entzündete ich die nächste Kapsel, und als sie weiße Funken spie, warf ich sie in den Hügel.
»Raus hier!«
Wir liefen Richtung Eingang. Vor uns zerbröckelten die Kugeln. Mae sprang leichtfüßig über die fallenden Stacheln und lief weiter. Ich folgte ihr, zählte im Geiste … drei … zwei … eins .
Jetzt.
Eine Art schrilles Kreischen ertönte, heißes Gas brauste heran, eine Detonation krachte so laut, dass es mir in den Ohren stach. Die Druckwelle schleuderte mich zu Boden, und ich rutschte im Schlamm weiter. Ich spürte die Stacheln am ganzen Körper. Meine Nachtsichtbrille war heruntergefallen, und rings um mich herum war alles schwarz. Schwarz. Ich konnte nicht das Geringste sehen. Ich wischte mir den Schlamm aus dem Gesicht. Ich wollte aufstehen, rutschte aus und fiel wieder hin.
»Mae«, sagte ich. »Mae …«
»Es hat eine Explosion gegeben«, sagte sie mit überraschter Stimme.
»Mae, wo bist du? Ich kann nichts sehen.«
Es war stockfinster. Ich konnte nicht mal meine Hand vor Augen erkennen. Ich steckte tief unten in irgendeiner verdammten Höhle voller stacheliger Dinger, und ich konnte nichts mehr ausmachen. Ich kämpfte gegen die Panik an.
»Alles in Ordnung«, sagte Mae. Ich spürte in der Dunkelheit, wie sie meinen Arm packte. Offenbar konnte sie mich sehen. Sie sagte: »Die Taschenlampe ist an deinem Gürtel.« Sie
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