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Beute

Beute

Titel: Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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sonst. Nirgendwo dunkle Linien oder Spuren.
    Ich ging ins Bad und sah mir die Kosmetika an, die auf ihrer Seite des Waschbeckens ordentlich aufgereiht standen. Alles, was ich sah, war ganz normal. So verstörend mein Traum auch gewesen war, er war und blieb ein Traum.
    Doch eines stimmte tatsächlich: Julia war wirklich schöner denn je. Als ich in die Küche kam, wo sie sich gerade Kaffee eingoss, sah ich, dass ihr Gesicht in der Tat wie gemeißelt wirkte, markanter. Julia hatte immer ein rundliches Gesicht gehabt. Jetzt war es schmal, klar konturiert. Sie sah aus wie ein Topmodel. Auch ihr Körper - als ich ihn mir genauer ansah - kam mir straffer vor, muskulöser. Sie hatte nicht abgenommen, sie sah einfach gut aus, straff, sportlich.
    Ich sagte: »Du siehst toll aus.«
    Sie lachte. »Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich bin völlig erschossen.«
    »Wann bist du denn nach Hause gekommen?«
    »Gegen elf. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«
    »Nein. Aber ich hatte einen komischen Traum.«
    »Ach ja?«
    »Ja, und zwar …«
    »Mommy! Mommy!« Eric platzte in die Küche. »Das ist gemein! Nicole lässt mich nicht ins Bad. Seit einer Stunde ist sie schon da drin. Das ist gemein!«
    »Dann geh doch in unser Bad.«
    »Aber ich brauch doch meine Socken, Mommy. Das ist gemein.«
    Das Problem war bekannt. Eric hatte zwei Paar Lieblingssocken, die er so lange trug, bis sie vor Dreck standen. Aus irgendeinem Grund genügten die anderen Socken in seiner Schublade seinen Ansprüchen nicht. Warum, konnte er mir bislang nicht erklären. Aber das morgendliche Sockenanziehen war ein Riesenproblem.
    »Eric«, sagte ich, »wir haben doch schon öfter darüber gesprochen, du sollst dir frische Socken anziehen.«
    »Aber das sind meine guten!«
    »Eric. Du hast haufenweise gute Socken.«
    »Das ist gemein, Dad. Seit einer Stunde ist sie da drin, echt.«
    »Eric, hol dir andere Socken.«
    »Dad …«
    Ich zeigte bloß in Richtung seines Zimmers.
    »Manno.« Er ging und knurrte vor sich hin, wie gemein das doch war.
    Ich wandte mich Julia zu, um unser Gespräch fortzusetzen. Sie blickte mich kühl an. »Du merkst es nicht mal, was?«
    »Was merke ich nicht?«
    »Er hat mich angesprochen, und du hast die Situation einfach an dich gerissen. Du hast das Ganze einfach an dich gerissen.«
    Augenblicklich wurde mir klar, dass sie Recht hatte. »Tut mir Leid«, sagte ich.
    »Ich krieg die Kinder zurzeit nicht sehr oft zu sehen, Jack. Ich finde, ich sollte mit ihnen Sachen klären können, ohne dass du dich einmischst.«
    »Tut mir Leid. Ich muss mich jeden Tag mit so was rumschlagen, und da hab ich wahrscheinlich …«
    »Das ist wirklich ein Problem, Jack.«
    »Ich hab gesagt, dass es mir Leid tut.«
    »Ich weiß, was du gesagt hast, aber ich glaube nicht, dass es dir Leid tut, weil sich an deinem Kontrollverhalten nichts ändert.«
    »Julia«, sagte ich. Jetzt versuchte ich, meine Wut zu kontrollieren. Ich holte Luft. »Du hast Recht. Es tut mir Leid, dass das passiert ist.«
    »Du schließt mich aus«, sagte sie, »und du hältst mich von meinen Kindern fern …«
    »Julia, verdammt noch mal. Du bist doch nie da!«
    Frostiges Schweigen. Dann -
    »Ich bin sehr wohl da«, sagte sie. »Behaupte ja nicht das Gegenteil.«
    »Moment mal, Moment mal. Wann bist du denn da? Wann hast du es das letzte Mal geschafft, beim Abendessen dabei zu sein, Julia? Nicht gestern Abend, nicht vorgestern, nicht vorvorgestern. Die ganze Woche nicht, Julia. Du bist nicht da.«
    Sie funkelte mich zornig an. »Ich weiß nicht, was du damit bezweckst, Jack. Ich weiß nicht, was für ein Spiel du spielst.«
    »Ich spiele gar kein Spiel. Ich hab dich was gefragt.«
    »Ich bin eine gute Mutter, und ich versuche, einen stressigen Job, einen sehr stressigen Job und die Bedürfnisse meiner Familie unter einen Hut zu bringen. Und ich kriege von dir absolut keine Unterstützung.«
    »Was redest du denn da?«, sagte ich, mit noch lauterer Stimme. Das Ganze kam mir allmählich völlig absurd vor.
    »Du untergräbst meine Position, du sabotierst mich, du bringst die Kinder gegen mich auf«, sagte sie. »Ich durchschaue dich. Bilde dir nicht ein, dass ich nicht sehe, was du da machst. Du unterstützt mich in keiner Weise. Nach all den Jahren, die wir verheiratet sind, ist es ganz schön mies, was du deiner Frau da antust, das muss ich schon sagen.«
    Und sie rauschte aus der Küche, die Fäuste geballt. Sie war so wütend, dass sie nicht mal Nicole bemerkte, die an der Tür

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