Beute
stand und alles mit angehört hatte. Und mich anstarrte, als ihre Mutter vorbeistürmte.
Wir waren auf dem Weg zur Schule. »Sie ist verrückt, Dad.«
»Nein, ist sie nicht.«
»Du weißt, dass sie verrückt ist. Du willst es nur nicht zugeben.«
»Nicole, sie ist deine Mutter«, sagte ich. »Deine Mutter ist nicht verrückt. Sie arbeitet in letzter Zeit nur sehr viel.«
»Das hast du vorige Woche auch gesagt, nach dem Streit.«
»Jawohl, weil es nun mal wahr ist.«
»Früher habt ihr euch nie gestritten.«
»In letzter Zeit sind wir beide ganz schön angespannt.«
Nicole schnaubte, verschränkte die Arme, starrte geradeaus. »Ich weiß nicht, warum du dir das von ihr gefallen lässt.«
»Und ich weiß nicht, warum du zugehört hast, die Sache geht dich gar nichts an.«
»Dad, komm mir doch nicht mit so ‘nem Scheiß.«
»Nicole …«
»Tschuldi-gung. Aber du kannst ruhig vernünftig mit mir reden, statt sie die ganze Zeit in Schutz zu nehmen. Sie verhält sich nicht normal. Ich weiß genau, dass du denkst, sie ist verrückt.«
»Das denke ich nicht«, sagte ich.
Eric schlug ihr vom Rücksitz aus auf den Hinterkopf. »Du bist die Verrückte«, sagte er.
»Schnauze, Arschgesicht.«
»Selber Schnauze, Kotztüte.«
»Ich will kein Wort mehr von euch hören«, sagte ich laut. »Dafür bin ich wirklich nicht in der Stimmung.«
Mittlerweile rollten wir auf den Wendeplatz vor der Schule. Die Kinder kletterten hinaus. Nicole sprang vom Beifahrersitz, drehte sich um und warf mir, als sie ihren Rucksack nahm, einen wütenden Blick zu. Dann war sie verschwunden.
Ich glaubte nicht, dass Julia verrückt war, aber irgendetwas hatte sich eindeutig verändert, und als ich unser morgendliches Gespräch noch einmal Revue passieren ließ, war mir aus anderen Gründen nicht wohl zu Mute. Viele Bemerkungen von ihr klangen so, als versuchte sie, eine Anklage gegen mich aufzubauen. Methodisch, Schritt für Schritt.
Du schließt mich aus und hältst die Kinder von mir fern.
Ich bin da, du nimmst mich bloß nicht wahr.
Ich bin eine gute Mutter, ich versuche, einen sehr stressigen Job und die Bedürfnisse meiner Familie unter einen Hut zu bringen.
Du unterstützt mich in keiner Weise. Du untergräbst meine Position, du sabotierst mich.
Du bringst die Kinder gegen mich auf.
Ich konnte mir ohne weiteres vorstellen, wie ihr Anwalt das alles vor Gericht wiederholte. Und ich wusste auch, warum. Laut einem Artikel, den ich vor kurzem in der Zeitschrift Redbook gelesen hatte, lag »Entfremdung der Kinder« derzeit als Scheidungsgrund im Trend. Der Vater bringt die Kinder gegen die Mutter auf. Vergiftet ihre kleinen Köpfe mit Worten und Taten. Während Mommy wie immer völlig schuldlos ist.
Jeder Vater wusste, dass die Rechtsprechung Mütter hoffnungslos bevorzugte. Die Gerichte legten Lippenbekenntnisse zur Gleichbehandlung ab und sprachen dann ein Kind der Mutter zu. Selbst wenn die nie da war. Selbst wenn sie ihre Kinder schlug oder sie hungern ließ. Solange sie kein Junkie war oder ihren Kindern nicht die Knochen brach, war sie in den Augen des Gerichts eine taugliche Mutter. Und auch wenn sie ein Junkie war, hieß das noch lange nicht, dass der Vater das Kind zugesprochen bekam. Die Exfrau eines Freundes bei MediaTronics war heroinsüchtig gewesen und hatte über Jahre hinweg einen Entzug nach dem anderen gemacht. Schließlich ließen sie sich scheiden und hatten das gemeinsame Sorgerecht. Die Frau war angeblich clean, aber die Kinder sagten, sie sei es nicht. Mein Freund war besorgt. Er wollte nicht, dass seine Ex die Kinder im Auto herumfuhr, wenn sie unter Drogen stand. Und er wollte nicht, dass seine Kinder mit Dealern in Berührung kamen. Also beantragte er das alleinige Sorgerecht, und er verlor. Der Richter entschied, dass die Exfrau sich redlich Mühe gab, ihre Drogensucht zu überwinden, und dass Kinder die Mutter brauchten.
So also sah die Realität aus. Und jetzt hatte ich den Eindruck, dass Julia anfing, genau diese Vorwürfe gegen mich zu sammeln. Mich fröstelte.
Gerade hatte ich mich in eine ziemliche Wut hineingesteigert, da klingelte mein Handy. Es war Julia. Sie wollte sich entschuldigen.
»Es tut mir wirklich Leid. Ich hab heute Morgen blöde Sachen gesagt. Das hab ich nicht so gemeint.«
»Was?«
»Jack, ich weiß doch, dass du mich unterstützt. Natürlich tust du das. Ohne dich würde ich das alles nicht schaffen. Du machst deine Sache mit den Kindern ganz wunderbar. Ich bin einfach in
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