Beute
letzter Zeit nicht ich selbst. Es war blöd von mir, Jack. Es tut mir Leid, was ich da alles gesagt habe.«
Als das Telefonat beendet war, wünschte ich, ich hätte das aufgenommen.
Um zehn hatte ich eine Verabredung mit meiner Headhunterin Annie Gerard im sonnigen Innenhof eines Cafes an der Baker Street. Wir trafen uns immer im Freien, damit Annie rauchen konnte. Sie hatte ihren Laptop aufgeklappt und ihr drahtloses Modem eingestöpselt. Eine Zigarette baumelte ihr von der Lippe, und sie blinzelte durch den Rauch.
»Haben Sie was für mich?«, fragte ich, sobald ich ihr gegenübersaß.
»Und ob ich was für Sie habe. Zwei sehr gute Angebote.«
»Toll«, sagte ich und rührte in meinem Cappuccino. »Lassen Sie hören.«
»Wie wär’s hiermit? Leitender Forschungsanalyst bei IBM, der für den Bereich verteilte Systemarchitektur höherer Ordnung zuständig ist.«
»Genau mein Gebiet.«
»Das hab ich auch gedacht. Sie sind für die Stelle wie geschaffen, Jack. Sie würden ein Forschungslabor mit sechzig Leuten leiten. Grundgehalt zweiundfünfzig plus Optionsrechte über fünf Jahre plus Tantiemen auf alles, was in Ihrem Labor entwickelt wird.«
»Klingt toll. Wo?«
»Armonk.«
»New York?« Ich schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage, Annie. Was noch?«
»Leiter eines Teams, das für ein Versicherungsunternehmen MultiAgenten-Systeme fürs Data Mining entwirft. Eine hervorragende Gelegenheit, und …«
»Wo?«
»Austin.«
Ich seufzte. »Annie. Julia hat einen Job, den sie mag, in dem sie sehr engagiert ist, und sie wird ihn jetzt nicht aufgeben. Meine Kinder gehen hier zur Schule, und …«
»Die Leute ziehen ständig um, Jack. Alle haben sie Kinder in der Schule. Kinder gewöhnen sich schnell wieder ein.«
»Aber Julia …«
»Andere Leute haben auch berufstätige Frauen. Sie ziehen trotzdem um.«
»Ich weiß, aber die Sache ist die, Julia …«
»Haben Sie schon mit ihr darüber gesprochen? Haben Sie das Thema angeschnitten?«
»Also, nein, weil ich …«
»Jack.« Annie blickte mich über den Laptop-Bildschirm hinweg an. »Ich denke, Sie sollten mit dem Quatsch aufhören.
Sie können es sich nicht erlauben, wählerisch zu sein. Sie entwickeln sich langsam zum Ladenhüter.«
»Ladenhüter«, sagte ich.
»Genau, Jack. Sie sind seit sechs Monaten ohne Arbeit. Das ist eine lange Zeit in der High-Tech-Branche. Die Firmen denken, mit Ihnen stimmt was nicht, wenn Sie so lange keinen Job gefunden haben. Die wissen zwar nicht, was da faul ist, aber sie nehmen einfach an, Sie haben zu viele Ablehnungen bekommen, von zu vielen anderen Firmen. Es dauert nicht mehr lange, und Sie werden nicht mal mehr zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Nicht in San Jose, nicht in Armonk, nicht in Austin, nicht in Cambridge. Dann ist der Zug abgefahren. Haben Sie mich verstanden? Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
»Ja, aber …«
»Kein Aber, Jack. Sie müssen mit Ihrer Frau sprechen. Sie müssen sich irgendwas überlegen, um Ihr Ladenhüterdasein zu beenden.«
»Aber ich kann nicht weg aus dem Valley. Ich muss hier bleiben.«
»Hier sieht es nicht gut für Sie aus.« Sie aktivierte den Bildschirm wieder. »Ich brauche nur Ihren Namen zu erwähnen, und schon heißt es - sagen Sie mal, was ist da eigentlich los bei MediaTronics? Blüht Don Gross eine Anklage?«
»Keine Ahnung.«
»Ich höre das Gerücht schon seit Monaten, aber es passiert einfach nichts. In Ihrem Interesse hoffe ich, dass da bald was publik wird.«
»Ich begreife das einfach nicht«, sagte ich. »Ich habe beste Erfahrungen in einem heiß umkämpften Bereich, MultiAgenten-Systeme, Parallelverarbeitung und …«
»Heiß?«, sagte sie und warf mir einen schrägen Blick zu. »Parallelverarbeitung ist nicht heiß, Jack. Die ist regelrecht radioaktiv. Jeder im Valley geht davon aus, dass sie den entscheidenden Durchbruch im Bereich Künstliches Leben bringen wird.«
»Das wird sie auch«, sagte ich nickend.
In den vergangenen paar Jahren hatte das Künstliche Leben die Künstliche Intelligenz als langfristiges Computerziel abgelöst. Es sollten Programme geschrieben werden, die die Eigenschaften von Lebewesen aufwiesen - die Fähigkeit, sich zu adaptieren, zu kooperieren, zu lernen, sich Veränderungen anzupassen. Viele solcher Eigenschaften waren in der Robotik von großer Bedeutung, und sie wurden mittels Parallelverarbeitung bereits ansatzweise realisiert.
Durch Parallelverarbeitung konnte die Arbeit auf mehrere Prozessoren oder
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