Beverly Barton, Hexenopfer
ausgenutzt. Und einen Brian MacKinnon nutzte niemand aus.
Wallace tapste wie ein unbeholfener Grizzlybär ins Büro. Sein Onkel war knapp einsneunzig groß, hatte einen runden Schmerbauch und trug einen Overall und eine Baseballkappe. Ein Büschel grauer Haare quoll auf beiden Seiten unter der Kappe hervor. Wallace hatte stets ein glatt rasiertes Gesicht, dank der täglichen Pflege bei einem Friseur in der Stadt, der von der Familie MacKinnon bezahlt wurde. Wallace verschleuderte seinen eigenen mageren Lohn mit Spenden an das Tierheim des Countys und Almosen an jeden Dahergelaufenen, der eine rührselige Geschichte zu erzählen hatte.
»Was kann ich für dich tun?« Brian blieb sitzen.
»Hast du heute etwas von Genny gehört?«, fragte Wallace, nahm seine Baseballkappe ab und kratzte sich am Kopf.
»Ich habe versucht, sie zu erreichen, aber ihr Telefon geht nicht«, erwiderte Brian. »Das Eis vom Sturm gestern Abend hat Strom- und Telefonleitungen lahmgelegt.«
»Ich war oben. Bill Davis hat mich mitgenommen. Ich war bis an Gennys Haus, um nachzusehen, ob bei ihr alles in Ordnung ist. Und sie war nicht da«, sagte Wallace atemlos, die Worte sprudelten nur so über seine Lippen.
»Sie war nicht zu Hause? Hast du alles überprüft?«
»Ihr Wagen war auch weg.«
»Dann ist sie vielleicht in der Stadt. Ich werde …«
»Ja, genau, wieso bin ich nicht darauf gekommen? Genny ist in die Stadt gefahren.« Wallace streckte die Hand aus, packte Brians Arm und schüttelte ihm ausgiebig die Hand. »Ich hab mir solche Sorgen um Genny gemacht. Du weißt, da draußen ist ein böser Mann, der andere umbringt. Ich will nicht, dass jemand Genny wehtut.«
Brian gelang es, seine Hand mit einem Ruck aus dem festen Griff des Onkels zu befreien. »Wenn du willst, rufe ich Jazzy an. Ich bin mir sicher, wenn Genny in der Stadt ist, wird Jazzy wissen, wo sie sich aufhält.« Lieber würde er nicht mit Jasmine Talbot sprechen, aber wenn es nicht anders ging, würde er es tun. Gennys beste Freundin Jazzy hatte anscheinend nichts für ihn übrig, genau wie Jacob. Ohne Zweifel hatte auch sie versucht, Genny zu überreden, nichts mit ihm anzufangen.
»Schon gut«, sagte Wallace. »Ich kann direkt zu Miss Jazzy rübergehen und sie selbst fragen.«
»Schön. Dann mach das.« Brian erhob sich, endlich von seiner peinlichen Erektion befreit. »Und wenn du Genny findest, bitte sie doch, mich anzurufen. Sag ihr, ich hätte mir Sorgen gemacht … um sie.«
»Du magst Genny auch, nicht wahr?« Wallace grinste, was ihn noch einfältiger aussehen ließ.
»Ja. Ich habe sie sehr gern.«
Glenda blieb an der offenen Tür stehen, zwei eiskalte Flaschen Dr. Peppers in den Händen. »Möchten Sie die jetzt haben?«
Brian winkte sie herein. »Klar. Kommen Sie rein.«
Glenda reichte Brian eine Flasche, die andere gab sie Wallace. Sie lächelte Wallace an und fragte: »Wie geht es Ihnen heute, Mr MacKinnon?«
Wallace kicherte. »Ich bin nicht Mr MacKinnon. Das ist mein Bruder Farlan. Ich bin einfach nur Wallace.«
»Und, wie geht’s, Wallace?«, formulierte Glenda ihre Frage neu.
»Mir geht’s gut, danke, Ma’am.«
Brian räusperte sich. Glenda floh aus dem Büro.
»Die Leute sagen, du bist kein sehr netter Mann, aber das stimmt nicht.« Wallace hob die Flasche an den Mund und leerte sie mit einem tiefen Schluck fast bis zur Hälfte. Er grinste Brian an. »Du bist nicht mehr so wie früher. Das ist wegen Genny, nicht wahr?«
Brian wurde nur ungern von seinem verrückten Onkel ins Kreuzverhör genommen, aber er konnte wohl kaum zugeben, dass er sich einzig und allein deshalb Zeit für Wallace nahm, um bei Genny Eindruck zu schinden.
»Ja, wegen Genny. Sie ist eine ganz besondere Lady.«
»Du liebst sie.«
Brian zog kurz die Wangen ein. »Das soll vorerst noch ein Geheimnis und unter uns beiden bleiben. Ich bin noch nicht so weit, dass ich Genny meine wahren Gefühle offenbaren kann.«
»Sie liebt dich auch.«
Brian schlug das Herz bis zum Hals. »Was?«
»Genny liebt dich, und sie liebt mich. Genny liebt alle.«
Brian zwang sich, Wallace auf den Rücken zu klopfen. »Ja, sicher. Und jetzt läufst du zu Jazzy und fragst sie nach Genny.«
»Gut.« Wallace ging zur Tür.
Brian liebte Genny. Bis zum Wahnsinn. Und eines nicht allzu fernen Tages würde sie ihn auch lieben. Aber nicht so, wie Wallace es meinte. Genny würde ihn leidenschaftlich lieben, so wie eine Frau einen Mann liebt. Wenn sie seine Frau war, würde er ihr beibringen,
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