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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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werfe, scheint es Feuer zu fangen, noch bevor es am Ziel angekommen ist. Schwebend und lautlos schmelzen die Synthetikfasern.
    »Gefährliches Kleid«, sagt Adam und sieht mir in die Augen, als wüsste er etwas.
    Jede Materie setzt sich aus Partikeln zusammen. Je fester etwas ist, desto dichter hängen die Partikel aneinander. Menschen sind fest, aber ihr Inneres ist flüssig. Ich denke, vielleicht verändert es die Partikel im Körper, wenn man zu nahe an einem Feuer steht, denn plötzlich fühle ich mich schwindlig und leicht. Ich weiß nicht recht, woran es liegt – vielleicht daran, dass ich nichts Ordentliches im Magen habe -, aber es kommt mir so vor, als wäre ich nicht in meinem Körper verankert. Mit einem Mal leuchtet der Garten.
    Wie bei den Feuerfunken, die auf mein Haar und meine Kleider herabrieseln, verlangt das Gesetz der Schwerkraft, dass alle fallenden Körper zu Boden fallen.
    Ich bin selber überrascht, dass ich auf einmal im Gras liege und zu Adams blassem Gesicht hochschaue, das die Wolken wie ein Heiligenschein umgeben. Erst mal kann ich mir keinen Reim darauf machen.

    »Beweg dich nicht«, sagt er. »Du musst in Ohnmacht gefallen sein.«
    Ich versuche, etwas zu sagen, aber meine Zunge spielt nicht mit, und es ist so viel einfacher, einfach nur liegen zu bleiben.
    »Hast du Diabetes? Bist du unterzuckert? Hier hab ich eine Dose Cola, wenn du was willst.«
    Er setzt sich neben mich, wartet, bis ich mich aufrappele, und reicht mir das Getränk. Mir brummt der Kopf, als der Zucker mein Hirn erreicht. Wie leicht ich mich fühle, noch gespenstischer als vorher, aber so viel besser. Wir schauen beide ins Feuer. Das ganze Zeug aus meinen Schachteln ist verbrannt; auch von den Schachteln sind nur noch verkohlte Reste übrig. Das Kleid hat sich verflüchtigt. Aber die Asche ist noch heiß, leuchtet hell genug, um eine Motte anzulocken, eine dumme Motte, die darauf zutanzt. Knisternd verglimmen ihre Flügel und werden zu Staub. Wir schauen beide in die Luft, wo sie vorher war.
    Ich sage: »Du gärtnerst eine Menge, was?«
    »Macht mir Spaß.«
    »Ich seh dir zu. Aus dem Fenster, wenn du rumgräbst und all so was.«
    Er schaut erschrocken. »Wirklich? Warum?«
    »Ich seh dir gern zu.«
    Er runzelt die Stirn, als versuchte er, dem auf den Grund zu kommen, scheint drauf und dran, etwas zu sagen, während er seinen Blick durch den Garten wandern lässt.
    »In der Ecke plane ich einen Gemüsegarten«, erzählt er dann. »Erbsen, Kohl, Kopfsalat, Stangenbohnen. So ziemlich alles. Mehr für meine Mutter als für mich.«
    »Warum?«
    Schulterzuckend schaut er zum Haus auf, als ob er sie ans Fenster holen könnte, wenn er von ihr spricht. »Sie mag Gärten.«
    »Was ist mit deinem Dad?«

    »Nichts. Meine Mum und ich sind allein.«
    Mir fällt ein dünnes Blutrinnsal auf seinem Handrücken auf. Als er meinen Blick bemerkt, wischt er es sich an der Jeans ab.
    »Ich muss dann jetzt mal weitermachen«, sagt er. »Kommst du zurecht? Die Cola kannst du behalten, wenn du willst.«
    Er geht neben mir, während ich mich langsam den Weg entlang abmühe. Ich bin heilfroh, dass meine Fotos und mein Tagebuch verbrannt sind und dass Zoeys Kleid weg ist. Das gibt mir das Gefühl, dass andere Dinge passieren werden.
    Am Tor drehe ich mich zu Adam um.
    Ich sage: »Danke für deine Hilfe.«
    Er sagt: »Gern geschehen.«
    Die Hände hat er in den Taschen. Lächelnd wendet er den Blick ab, schaut auf seine Stiefel runter. Aber ich weiß, dass er mich sieht.

NEUN
    I ch weiß nicht, warum man Sie hergeschickt hat«, sagt die Empfangsschwester.
    »Wir wurden einbestellt«, erklärt ihr Dad. »Dr. Ryans Sekretärin hat angerufen und uns gebeten zu kommen.«
    »Nicht hierher«, behauptet sie. »Nicht heute.«
    »Doch, hierher«, erklärt er ihr. »Doch, heute.«
    Schnaubend wendet sie sich ihrem Bildschirm zu und scrollt runter. »Soll eine Lumbalpunktion gemacht werden?«
    »O nein.« Dad klingt immer verärgerter. »Hat Dr. Ryan heute überhaupt Sprechstunde?«
    Ich setze mich in den Wartebereich und überlasse die beiden sich selbst. Die üblichen Verdächtigen sind hier versammelt: in der Ecke die Hutbande, an ihre tragbare Chemo angeschlossen, die sich über Durchfall und Erbrechen unterhält; ein Junge, der die Hand seiner Mutter umklammert hält, seine zarten neuen Haare im selben Stadium wie meine, und ein Mädchen ohne Augenbrauen, das vorgibt, ein Buch zu lesen. Über ihren Brillenrändern hat sie sich falsche Augenbrauen

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