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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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aufgepinselt. Als sie meinen Blick auffängt, lächelt sie, aber damit will ich nichts zu tun haben. Ich habe mir zur Regel gemacht, mich nicht auf Sterbende einzulassen. Sie sind nicht gut für mich. Einmal habe ich mich hier mit einem Mädchen angefreundet. Sie hieß Angela, und wir haben uns jeden Tag E-Mails geschrieben, bis sie eines Tages damit aufhörte. Irgendwann hat ihre Mum meinen Dad angerufen und ihm erzählt, dass sie gestorben war. Tot.
Einfach so, ohne mir was zu sagen. Da habe ich beschlossen, das einzustellen.
    Ich greife zu einer Zeitschrift, komme aber nicht mal dazu, sie aufzuschlagen, weil Dad mir schon auf die Schulter klopft. »Gewonnen!«, sagt er.
    »Was?«
    »Wir hatten recht, sie hatte unrecht.« Fröhlich winkt er der Empfangsschwester zu, während er mir hochhilft. »Die dämliche Putte kann nicht mal ihren Arsch von ihrem Ellbogen unterscheiden. Offenbar lässt man uns jetzt direktemang ins Sprechzimmer des bedeutenden Mannes!«
    Dr. Ryan hat einen roten Spritzer auf dem Kinn. Ich muss immerzu draufstarren, wie wir ihm so an seinem Schreibtisch gegenübersitzen. Ich wüsste zu gern, ob es Tomatensoße oder Suppe ist oder ob er gerade eine Operation hinter sich hat. Vielleicht ist es ja rohes Fleisch.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagt er und knetet seine Hände im Schoß.
    Dad schiebt seinen Stuhl näher an meinen ran und drückt sein Knie an meins. Ich muss schwer schlucken und gegen den Impuls ankämpfen, aufzustehen und rauszugehen. Wenn ich nicht zuhöre, weiß ich nicht, was er sagen wird, und vielleicht ist es dann gar nicht wahr.
    Doch Dr. Ryan legt gleich mit sehr fester Stimme los: »Tessa, leider habe ich keine guten Nachrichten für dich. Deine letzte Lumbalpunktion hat ergeben, dass dein Krebs in die Rückenmarksflüssigkeit gestreut hat.«
    »Ist das schlimm?«, frage ich in dem schwachen Versuch, einen Scherz zu machen.
    Er lacht nicht. »Es ist sehr schlimm, Tessa. Es bedeutet, dass er in dein zentrales Nervensystem metastasiert. Ich weiß, dass das nur schwer zu ertragen ist, aber die Dinge schreiten schneller voran, als wir zunächst vermutet haben.«

    Ich sehe ihn an. »Die Dinge?«
    Er rutscht auf seinem Sessel hin und her. »Du bist ein Stück weiter vorgerückt, Tessa.«
    Hinter seinem Schreibtisch ist ein großes Fenster, durch das ich zwei Baumwipfel sehen kann. Ich kann ihre Äste, das trockene Laub daran und ein Stück Himmel sehen.
    »Um wie viel weiter bin ich vorgerückt?«
    »Ich kann dich nur fragen, wie du dich fühlst, Tessa. Hast du mehr mit Müdigkeit oder Übelkeit zu kämpfen? Tun dir die Beine weh?«
    »Ein bisschen.«
    »Ich kann es nicht beurteilen, aber ich würde dich darin bestärken, zu tun, was du tun möchtest.«
    Er hat ein paar Bilder dabei, um den Beweis zu erbringen, die er uns wie Urlaubsfotos reicht und auf kleine dunkle Flecken zeigt, Kleckse, frei flottierende schmutzige Blasen. Als hätte man in mir drin irgendeinem Kind mit einem Pinsel und übermäßigem Tatendrang eine Dose schwarze Farbe in die Hand gedrückt.
    Dad versucht erfolglos, die Tränen zurückzuhalten. »Was passiert jetzt?«, fragt er, während ihm lautlos große Tränen aus den Augen auf den Schoß tropfen. Der Arzt gibt ihm ein Papiertaschentuch.
    Draußen trommelt der erste Regenschauer des Tages an die Fensterscheibe. Ein Blatt, das von einer Windbö gepackt wurde, reißt ab und leuchtet dann in seinem Fall rot und golden auf.
    Der Arzt sagt: »Es kann sein, dass Tessa auf intensive intrathekale Behandlung anspricht. Ich würde vier Wochen Methotrexat und Hydrokortison vorschlagen. Bei Erfolg könnten ihre Symptome rückläufig werden, und wir würden mit einem Erhaltungsprogramm fortfahren.«
    Der Arzt redet weiter, und Dad hört weiter zu, aber ich höre mir das alles nicht mehr an.

    Es wird wirklich geschehen. Sie haben es gesagt, aber das hier geht schneller, als alle gedacht haben. Ich werde wirklich nie wieder zur Schule gehen. Nie mehr. Nie werde ich berühmt werden oder etwas von bleibendem Wert hinterlassen. Niemals werde ich studieren oder einen Beruf ergreifen. Ich werde meinen Bruder nicht aufwachsen sehen. Ich werde weder je reisen noch Geld verdienen oder Auto fahren, mich nie verlieben, von zu Hause ausziehen oder einen eigenen Haushalt gründen.
    Es ist wirklich, wirklich wahr.
    Ein Gedanke schießt in mir hoch, wächst von meinen Zehen aufwärts und durchbohrt mich, bis er alles andere erstickt und zu meinem einzigen Gedanken wird. Er

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