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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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also meine Schuld, dass ich krank bin, ja?«
    »Du weißt, dass ich das nicht so sehe.«
    »Du benimmst dich andauernd so, als ob ich immer nur alles falsch mache.«
    Er rappelt sich zum Sitzen hoch. »Gar nicht!«

    »O doch. Als ob ich nicht so sterben würde, wie es sich gehört. Andauernd kommst du hier rein und erzählst mir, ich soll aufstehen oder mich zusammenreißen. Jetzt willst du mir auch noch einreden, ich soll wieder in die Schule. Lächerlich!«
    Ich stapfe quer durchs Zimmer, schnappe mir seine Hausschuhe und stecke meine Füße rein. Sie sind viel zu groß, aber das ist mir egal. Dad stützt sich auf einen Ellbogen, um mich anzusehen. Er guckt wie ein geprügelter Hund.
    »Geh nicht. Wo willst du hin?«
    »Weg von dir.«
    Es macht mir Spaß, die Tür zuzuknallen. Soll er doch mein Bett haben. Von mir aus! Soll er doch drin liegen bleiben, bis er schwarz ist.

ACHT
    D er Junge sieht überrascht aus, als ich den Kopf über den Zaun stecke und ihn rufe. Er ist älter als ich gedacht hatte, vielleicht achtzehn, mit dunklen Haaren und Bartstoppeln.
    »Ja?«
    »Kann ich ein paar Sachen in deinem Feuer verbrennen?«
    Er schlurft den Weg zu mir rauf und wischt sich mit einer Hand die Stirn, als ob er schwitzt. Seine Fingernägel sind dreckig, und er hat Laub in den Haaren. Er lächelt nicht.
    Ich halte die beiden Schuhkartons so hoch, dass er sie sehen kann. Zoeys Kleid habe ich mir wie eine Fahne um die Schultern gehängt.
    »Was ist da drin?«
    »Hauptsächlich Papier. Kann ich damit rüberkommen?«
    Er zuckt die Schultern, als ob es ihm völlig egal wäre, also gehe ich durch unser Seitentörchen, steige über die niedrige Mauer zwischen unseren beiden Häusern, durchquere seinen Vorgarten und gehe seitlich an seinem Haus vorbei. Da ist er schon und hält mir sein Gartentor auf. Zögernd sage ich:
    »Ich bin Tessa.«
    »Adam.«
    Schweigend gehen wir seinen Gartenweg entlang. Bestimmt denkt er, mein Freund hätte grade mit mir Schluss gemacht, und das hier wären Liebesbriefe. Bestimmt denkt er, kein Wunder, dass er sie sitzen gelassen hat, bei dem Totenkopfgesicht und dem kahlen Schädel.

    Das Feuer ist enttäuschend, als wir hinkommen, bloß ein qualmender Haufen Blätter und Zweige mit ein paar Flämmchen, die hoffnungsvoll am Rand aufflackern.
    »Das Laub war feucht«, sagt er. »Mit Papier kommt es wieder in Schwung.«
    Ich mache die eine Schachtel auf und kippe sie aus.
    Von dem Tag an, als meinem Vater der erste blaue Fleck auf meiner Wirbelsäule aufgefallen ist, bis zu dem Tag vor grade mal zwei Monaten, als das Krankenhaus mich offiziell aufgab, habe ich Tagebuch geführt. Vier Jahre erbärmlicher Optimismus brennen gut – wie die Flammen hochschlagen! Alle Gute-Besserung-Karten, die ich je bekommen habe, kringeln sich an den Rändern, flackern knisternd auf und vergehen zu Asche. In vier langen Jahren vergisst man die Namen von Leuten.
    Eine Krankenschwester gab es, die Karikaturen von den Ärzten zeichnete und sie mir ans Bett stellte, um mich zum Lachen zu bringen. Auch ihren Namen hab ich vergessen. Vielleicht Louise? Die war echt kreativ. Das Feuer zischt, Funken stieben zu den Bäumen auf.
    »Ich werfe Ballast ab«, sage ich zu Adam.
    Aber wahrscheinlich hört er mich nicht. Er schleift eine Brombeerranke über das Gras zum Feuer.
    Die nächste Schachtel kann ich am wenigsten leiden. Da haben Dad und ich immer zusammen drin rumgestöbert und Fotos über das ganze Krankenhausbett verteilt.
    »Du wirst wieder gesund«, hat er mir gesagt, während er mit einem Finger meine Gestalt als Elfjährige nachzog, verlegen in meiner Schuluniform am ersten Tag in der weiterführenden Schule. »Hier ist ein Foto von dir in Spanien«, sagte er dann. »Weißt du noch?«
    Da sah ich dünn, braun und hoffnungsvoll aus. Das war nach der ersten Behandlung. Am Strand pfiff mir ein Junge nach.
Mein Dad knipste mich, sagte, an meinen ersten Pfiff würde ich mich immer erinnern wollen.
    Will ich aber nicht.
    Ich verspüre den plötzlichen Drang, nach Hause zu laufen und mehr Zeug zu holen. Meine Kleider, meine Bücher.
    Und frage: »Wenn du nächstes Mal ein Feuer machst, kann ich dann wieder vorbeikommen?«
    Adam steht mit einem Fuß auf dem anderen Ende der Brombeerranke und knickt das vordere Ende so ab, dass er es aufs Feuer packen kann. Er fragt: »Warum willst du alles loswerden?«
    Ich knülle Zoeys Kleid zu einem kleinen Ball zusammen; in meiner Faust fühlt es sich winzig an. Als ich es auf die Flammen

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