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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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wie ein elektrischer Schlag, so als wäre meine Wirbelsäule in einem Toaster stecken geblieben, und der Arzt würde sie mit einem stumpfen Messer rauspfriemeln.
    »Was glaubst du, was Mum heute macht?«, frage ich. Meine Stimme klingt anders als sonst. Gepresst. Hoch.
    »Keine Ahnung.«
    »Ich hab sie gebeten zu kommen.«
    »Wirklich?« Dad hört sich überrascht an.
    »Ich hab mir gedacht, ihr könntet hinterher zusammen in die Cafeteria gehen.«
    Er runzelt die Stirn. »Seltsam, was du dir so denkst.«
    Ich schließe die Augen und stelle mir vor, ich wäre ein von der Sonne beschienener Baum und würde mir nichts außer Regen wünschen. Ich denke an silbriges Wasser, das auf meine Blätter plätschert, meine Wurzeln tränkt, durch meine Adern aufsteigt.
    Der Arzt rasselt vor der Studentin Statistiken runter. Er sagt: »Schätzungsweise einer von tausend Patienten, die lumbalpunktiert werden, erleiden eine kleinere Nervverletzung. Da ist noch ein kleines Risiko der Infektion, Blutung oder Knorpelverletzung.« Dann zieht er die Nadel raus. »Sehr schön«, lobt er mich. »Geschafft.«
    Fast erwarte ich, dass er mir einen Klaps aufs Gesäß gibt, wie einem braven Gaul. Tut er aber nicht, sondern er wedelt mit drei sterilen Röhrchen in meine Richtung. »Ab ins Labor damit.« Er verabschiedet sich nicht mal, witscht einfach nur wortlos aus dem Zimmer, die Studentin im Schlepptau. So als würde er sich plötzlich schämen, dass etwas so Intimes zwischen uns vorgefallen ist.
    Aber die Krankenschwester ist wunderbar. Sie redet mit uns, während sie meinen Rücken mit Mull verbindet, kommt dann auf die andere Bettseite und lächelt auf mich herab.
    »Jetzt musst du ein Weilchen still liegen bleiben, Schätzchen.«

    »Ich weiß.«
    »Warst schon mal hier, wie?« Sie wendet sich Dad zu. »Was fangen Sie jetzt mit sich an?«
    »Ich bleib hier sitzen und lese in meinem Buch.«
    Sie nickt. »Ich bin vor der Tür. Sie wissen, worauf Sie achten müssen, wenn Sie nach Hause kommen?«
    Er zählt es auf wie ein Profi: »Frösteln, Fieber, Nackensteife oder Kopfschmerzen. Nässen oder Bluten, jedwede Taubheit oder Muskelschwäche unterhalb der Punktionsstelle.«
    Damit imponiert er der Krankenschwester. »Sie haben’s drauf!«
    Als sie rausgeht, lächelt Dad mir zu. »Das hast du gut gemacht, Tess. Jetzt hast du’s überstanden, hm?«
    »Außer wenn die Laborergebnisse schlecht sind.«
    »Das werden sie schon nicht.«
    »Dann kriege ich wieder jede Woche eine Lumbalpunktion.«
    »Psst! Versuch jetzt zu schlafen, Schatz. Dann vergeht die Zeit schneller.«
    Er nimmt sein Buch auf und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.
    Lichtpunkte schlagen wie Glühwürmchen gegen meine Augenlider. Ich höre mein eigenes Blut pulsieren, wie Hufe, die über eine Straße donnern. Das graue Licht vor dem Krankenhausfenster verdichtet sich.
    Er blättert um.
    Hinter seiner Schulter steigt auf dem Bild harmloser Rauch vom Schornstein eines Bauernhauses auf, und eine Frau rennt – den Kopf voller Entsetzen in den Nacken gelegt.

SIEBEN
    S teh auf! Steh auf!«, ruft Cal. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, aber er reißt sie mir gleich wieder runter. »Dad sagt, wenn du nicht sofort aufstehst, kommt er mit’nem nassen Waschlappen hoch!«
    Ich wälze mich im Bett herum, weg von ihm, aber er hüpft auf die andere Seite und steht grinsend über mir. »Dad sagt, du sollst jeden Morgen aufstehen und was Sinnvolles tun.«
    Ich trete mit aller Kraft nach ihm und zieh mir die Decke wieder über den Kopf. »Mir doch scheißegal, Cal! Und jetzt verpiss dich, raus hier.«
    Ich wundere mich selber, wie wenig es mir ausmacht, als er geht.
    Lärm dringt auf mich ein – seine Füße donnern auf der Treppe, in der Küche wird mit Geschirr geklappert, als er die Tür auf- und nicht hinter sich zumacht. Noch die leisesten Geräusche erreichen mich – wie Milch auf Frühstücksflocken schwappt, ein Löffel in der Luft rumgewirbelt wird. Wie Dad »ts, ts« macht, während er mit einem Lappen an einem Flecken auf Cals Schulhemd rumreibt. Wie die Katze Milch vom Boden leckt.
    Die Tür vom Flurschrank geht auf, und Dad holt Cal seine Jacke. Ich höre den Reißverschluss und den Druckknopf oben, damit sein Hals warm bleibt. Ich höre den Kuss und dann das Seufzen – eine große Welle der Verzweiflung schlägt über dem Haus zusammen.

    »Geh und sag tschüss«, sagt Dad.
    Cal kommt in langen Sätzen die Treppe hoch, bleibt kurz vor meiner Tür stehen und stiefelt dann

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