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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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schreit Zoey. »Wir sind auf einer Schnellstraße! Willst du sterben?«
    Ich lege wieder den Leerlauf ein. Mir ist überhaupt nicht ängstlich zumute. Wasser fließt in Strömen die Windschutzscheibe runter, die Autos hinter uns hupen und blenden auf, während sie uns überholen, aber ich schaue ganz ruhig in meine Spiegel, drehe den Zündschlüssel herum, schalte in den Ersten, und ab geht’s. Als ich über den zweiten gleich in den dritten Gang schalte, finde ich sogar die Scheibenwischer.
    Zoeys Gesicht bebt vor Panik. »Du bist verrückt. Lass mich ans Steuer!«
    »Du bist nicht versichert.«
    »Du doch auch nicht!«
    Jetzt ist das Gewitter lauter, ohne Pausen zwischen Donner und Blitz. Andere Autos haben ihre Scheinwerfer eingeschaltet, obwohl es mitten am Tag ist. Nur ich kann unsere offenbar nicht finden.
    »Bitte!«, ruft Zoey. »Bitte fahr rechts ran!«

    »In einem Auto ist man in Sicherheit. Autos haben Gummireifen.«
    »Fahr langsamer!«, schreit sie. »Wir bauen noch einen Unfall. Hast du noch nie was von Bremswegen gehört?«
    Nein. Stattdessen habe ich einen fünften Gang entdeckt, von dessen Existenz ich zuvor noch gar nichts wusste. Jetzt rasen wir wirklich flott dahin, und den Himmel erleuchten ordentlich gegabelte Blitze.
    So nah habe ich das noch nie gesehen. Als Dad mit uns nach Spanien gefahren ist, gab es ein Gewitter über dem Meer, das wir uns vom Hotelbalkon aus angesehen haben. Aber das kam einem nicht wie etwas Wirkliches vor, mehr wie etwas, was sie für die Touristen inszeniert hatten. Dieses hier ist genau über unseren Köpfen, und es ist absolut großartig.
    Aber Zoey sieht das anders. Sie duckt sich in ihren Sitz. »Autos sind aus Metall!«, kreischt sie. »Jeden Moment kann hier der Blitz einschlagen! Fahr rechts ran!« Sie tut mir leid, aber das mit dem Blitz stimmt so nicht.
    Panikartig sticht sie mit ihrem Finger auf das Fenster ein. »Guck, da ist eine Tankstelle. Fahr da ab, oder ich spring aus dem Wagen.«
    Weil ich sowieso Lust auf Schokolade habe, fahre ich ab. Wir sind ein wenig zu schnell, aber schließlich finde ich doch die Bremse. Dramatisch schlittern wir über den Vorplatz und kommen inmitten von Zapfsäulen und Neonröhren zum Stehen. Zoey schließt die Augen. Komisch, ich wäre jetzt lieber mit weit offenen Augen auf der Straße draußen.
    »Ich weiß nicht, auf was du aus bist«, faucht sie, »aber da hat nicht viel gefehlt, und du hättest uns beide gekillt.«
    Sie reißt ihre Tür auf, steigt aus, knallt sie hinter sich zu und marschiert Richtung Laden. Kurz überlege ich mir, ohne sie weiterzufahren, aber noch bevor ich richtig drüber nachdenken kann, stapft sie wieder zurück und zieht meine Tür auf. Sie
riecht anders, kalt und frisch, und zerrt sich eine nasse Haarsträhne aus dem Mund.
    »Ich hab kein Geld. Ich brauch Zigaretten.«
    Ich reiche ihr meine Handtasche. Mit einem Mal bin ich sehr glücklich. »Bringst du mir etwas Schokolade mit?«
    »Nachdem ich eine Zigarette geraucht habe«, sagt sie, »gehe ich auf die Toilette. Wenn ich wiederkomme, lässt du mich ans Steuer.«
    Sie knallt die Tür zu und überquert erneut den Vorplatz. Es schüttet immer noch heftig, und sie duckt sich darunter, zuckt beim nächsten Donnergrollen zusammen und schaut in den Himmel hoch. Ich habe sie noch nie ängstlich gesehen und werde plötzlich von Liebe zu ihr gepackt. Sie kann nicht so damit umgehen wie ich. Sie ist es nicht gewöhnt. Die ganze Welt könnte tosen, das würde mich nicht erschüttern. Ich will eine Lawine an der nächsten Kreuzung. Ich will, dass schwarzer Regen fällt und eine Heuschreckenplage aus dem Handschuhfach quillt. Arme Zoey. Ich kann sie jetzt in der Tankstelle sehen, wie sie unschuldig Süßigkeiten und Zigaretten kauft. Ich werde sie fahren lassen, aber nur weil ich es so will. Sie kann mich nicht mehr kontrollieren. Ich habe sie hinter mir gelassen.

ZWEIUNDZWANZIG
    Z wanzig nach vier, und das Meer ist grau. Der Himmel auch, obwohl der etwas heller ist und sich nicht so schnell bewegt. Vom Meer wird mir schwindlig – es ist was mit der endlosen Bewegung, die sich nicht aufhalten lässt, ob man will oder nicht.
    »Es ist verrückt, hier zu sein«, sagt Zoey. »Wieso hab ich mich bloß von dir überreden lassen?«
    Wir sitzen auf einer Uferbank. Der Sandstrand ist praktisch menschenleer. Ganz weit hinten an der Brandung bellt ein Hund die Wellen an. Sein Besitzer ist ein winziger Punkt am Horizont.
    »Hier hab ich jeden Sommer Urlaub

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